Donnerstag, 11. Mai 2023

Nächstes Mal auf Asche - Auf den Zahn gefühlt - Episode 16 - Part 1

Heute: Gerrit Starczewski - Part 1/3

Wir haben uns mit Gerrit Starczewski getroffen. Dem Schöpfer der Pottoriginale, Star-Fotograf und glühender Fan des VfL Bochum. Gerrit hat so viel spannendes Zeug zu erzählen, dass ein Abend dafür bei weitem nicht ausreichend ist. Zwei Stunden Interview haben wir dennoch aufs digitale Papier bringen können und wir hoffen es gefällt euch genauso gut wie uns. Hier ist also Teil 1 von 3.


Von Pete Doherthy, dem Grotifanten, einer Froschdroge, Lemmy Kilmister als Dieb und wie Gerrit 2x in den Knast ging….


-Triggerwarnung: Drogenkonsum-


NMMA:

Moin Gerrit und vielen Dank, dass du dich zu unserem Interview bereit erklärt hast!


Gerrit:

Ja, vielen Dank an euch!


NMAA:

Wir starten erstmal fernab vom Fußball. Dein Opa hat dir geraten immer anständig gewichste Schuhe und Zuckerwasser in den Haaren zu haben. Wieviel ist davon übrig geblieben?


Gerrit:

Wie du siehst hab ich heute kein Zuckerwasser in den Haaren und meine goldenen Schuhe sind im Auto. Es stimmt aber wirklich, mein Opa hat mir auf den Weg mitgegeben, man möge immer frisch gewichste Schuhe und Zuckerwasser in den Haaren tragen. Es ist dann egal wie du tanzt, du hast automatisch Erfolg bei Frauen. Der Spruch hat mich als Kind bereits fasziniert und war mit ein Grund, wieso ich bei den Menschen auf die Schuhe geachtet habe. Weil ich schon sehr früh auf Konzerten war und hier bereits Fotos für Musikmagazine schießen konnte und durfte, kam ich auf die Idee, Schuhe von Rockstars und Musikern zu fotografieren. Hieraus ist die legendäre Fotostrecke „Dancing Shoes“ entstanden. Das war sozusagen mein Durchbruch in der Popkultur. Es gibt bei ARTE Tracks einen recht gelungenen Beitrag hierüber. 

“ARTE Tracks war für mich wie ein Ritterschlag“

Was etwas schade war, ich war am Vorabend in Berlin, wo eine Liaison für mich zu Ende ging. Ich war also völlig übermüdet und dann war Drehtag für ARTE. Ich war total gestresst, was schade war, denn ARTE Tracks war für mich wie ein Ritterschlag. Das Format gibt es heute leider nicht mehr. Bei ARTE Tracks gelaufen zu sein, war so ziemlich das coolste was es in Sachen Popkultur gab. Daraufhin wurde ich zu TV Total eingeladen, was auch damals ne’ ziemliche Hausnummer war. Mir haben die Besuche schon viel ermöglicht was „Dancing Shoes“ betrifft oder auch wen ich fotografiert habe. Da schließt sich schon der Kreis zum Fußball, denn damals hab ich jemanden fotografiert, der hierüber Ehrenmitglied des KFC Uerdingen geworden ist. Es war Pete Doherthy. Der - für mich größte - Drogen-Rockstar meiner Generation. Was mich unheimlich fasziniert hat war, dass er scheinbar mehrere Jahre in Krefeld gelebt hat, weil sein Vater britischer Soldat war. 

“Es war Pete Doherthy. Der - für mich größte - Drogen-Rockstar meiner Generation.“

Pete hat sein erstes Spiel bei Uerdingen gesehen. Er erzählte mir auf einem Drogentrip, dass es früher dort einen echten Elefanten vom Krefelder Zoo gab, welcher zu Heimspielen ins Stadion geführt wurde. Bayern München Fans haben den Elefanten allerdings beworfen, daraufhin wurde sich seitens des Vereins, gegen einen echten Elefanten entschieden. Die Entstehung des Grotifanten. Auch wenn es ein Drogentrip von Pete war, ich denke die Geschichte stimmt! 


NMAA:

Stimmt es, dass Pete Doherthy sich mit Uerdingen Fußball Songs warm singt?


Gerrit:

Ich hab es leider nicht gefilmt. Pete Doherthy hat 2014 für mehrere Monate beim Tonstudio/Label von „Clouds Hill“ in Hamburg gelebt. Ein damaliger Freund, Johann Scheerer, hat ihn produziert. Johann Scheerer im übrigen für sich schon eine total spannende Person. Johann ist der Sohn von Jan Phillip Reemtsma, welcher 1996 Opfer der bekannten „Reemtsma Entführung“ wurde. Johann hat hierüber auch bereits geschrieben.

“und plötzlich beginnt er irgendwas über Uerdingen zu singen. „Bayer Uerdingen have many Fans - many Fans have Bayer Uerdingen and i‘m one of them….“ oder so ähnlich“

Pete nimmt also bei Johann ein Solo Album auf und ich hab als Fotograf mehrere Sessions mit der Kamera begleitet und durfte sogar in der Studio-Wohnung pennen. Also nun steh‘ ich da mit ihm im Tonstudio. Das ist ja ohnehin ein sehr intimer Moment und plötzlich beginnt er irgendwas über Uerdingen zu singen. „Bayer Uerdingen have many Fans - many Fans have Bayer Uerdingen and i‘m one of them….“ oder so ähnlich. Ich fand das so geil und wollte mit ihm immer über Uerdingen reden. Sicherlich hab ich ihn damit auch ziemlich genervt. Seine Freundin mochte mich deswegen nicht. Sie meinte damals nur:“Was will der bekloppte ständig mit seinem Uerdingen?“ Dann wollt ich für die „11 Freunde“ ein Bild machen und hab es wiederum zu gut gemeint. Ich wollte Pete Doherthy treffen und von ihm ein Foto machen: Er im Grotifanten Kostüm! Wie er den Kopf daneben hält vielleicht. Was ein Wahnsinns Bild wäre das gewesen? Ich war bei seiner Show Backstage in Amsterdam und bekam von ihm bereits Pässe für Düsseldorf. Das Konzert sollte 2 Tage später stattfinden. Ich hab das Grotifanten Kostüm, den Pressetypen, noch einen Offiziellen und den Typ der normalerweise in dem Kostüm steckt vom KFC mitgenommen. Dafür hab ich dann natürlich von Pete‘s Management ordentlich einen drüber bekommen. Die hatten wenig Verständnis, dass ich plötzlich mit zig anderen Leuten da aufkreuzte. Ich durfte nun also auch nicht mehr Backstage. Das Kostüm des Grotifanten hat es trotzdem geschafft und zwar ist während der Show, ein Roadie im Grotifanten-Kostüm auf die Bühne gesprungen und hat Pete damit dann doch noch überraschen können. Dann, ich glaub 2014/2015, als Pete auf dem Lollapalooza in Berlin gespielt hat, habe ich ihm eine überdimensionale Ehrenmitgliedskarte des KFC Uerdingen überreicht. An dem Tag titelte sogar die BILD „Skandal-Rocker wird Ehrenmitglied bei Fünftligist KFC Uerdingen!“. Leider hat Lakis (damaliger Geldgeber des KFC) die Strahlkraft der Situation nicht richtig gecheckt. Die Libertines (Pete’s Band) waren damals Trikot-Sponsor von Margate FC in England. Ich hab darauf drängen wollen, dass der KFC Uerdingen ein Testspiel mit dem englischen Team vereinbart. Mit der Story ist die Band um Pete ja schon beinah gezwungen, mit nach Uerdingen zu reisen, nehmt den Hype jetzt mit! Leider war ich da alleine mit meiner Meinung.

“Das Kostüm des Grotifanten hat es trotzdem geschafft und zwar ist während der Show, ein Roadie im Grotifanten-Kostüm auf die Bühne gesprungen“

Pete Doherthy hat zwar in Krefeld gelebt, aber selber Fußball gespielt in einem Dorf bei Kempen und zwar beim VfL Tönisberg. Ich wollte unbedingt alte Mannschaftsfotos aus Tönisberg haben, da Pete mir im Tourbus von seiner Karriere als Spieler erzählt hat. Er konnte sich auch an ein paar Namen erinnern, der Torhüter hieß damals wohl Mauro. Jedenfalls war meine Idee, ein Mannschaftsfoto von damals, heute nachzustellen. Leider sah sich der Verein zu dem Zeitpunkt, nicht in der Lage Recherche zu betreiben, wer Anfang der 90er die Mannschaften betreut hat und kannte Pete Doherthy wohl auch nicht wirklich. Ich hätte gern den Spielerpass von Pete Doherthy bekommen. Das wäre doch geil gewesen. Die gesamte Geschichte war und ist geil. Leider haben beide Vereine zum damaligen Zeitpunkt nicht erkannt, wie gut man das Ganze hätte aufziehen können. Der VfL Tönisberg hat mir aber damals ein Trikot gegeben, welches ich Pete auch überreichen konnte.

“Er konnte sich auch an ein paar Namen erinnern, der Torhüter hieß damals wohl Mauro.“

Zum KFC gibt es allerdings noch eine Anekdote, die hat mir damals Daniel Staude erzählt. Robbie Williams hatte zwischen seinen Auftritten einen Off-Day und diesen genutzt, um sich inkognito ein Spiel in der Grotenburg anzusehen. Allerdings verlasse ich mich hierbei jetzt auf die Geschichte von Daniel. 


NMAA:

Du selbst trinkst weder Alkohol noch nimmst du Drogen. Man stellt sich das ziemlich schwierig vor. Auf der einen Seite jemand der recht abstinent lebt und auf der anderen Seite der damalige Pete Doherthy…


Gerrit:

Zucker ist meine Droge. Pete ist mittlerweile clean glaube ich. Er ist auch ein bisschen dicker geworden, was ja schon ein Zeichen dafür ist, dass er weniger Drogen nimmt. Pete hat mir aber damals auch alles angeboten. Von Crack-Pfeife angefangen und keine Ahnung ob es am Ende Heroin war. Ich bin mit ihm in Hamburg hinter den Bahnhof gefahren, da ist so ein Kunstmuseum und irgendwo dort auch scheinbar ein Drogenumschlagplatz…da hab ich ihn bzw. den Schlagzeuger damals hingefahren. 

“Er hatte auch irgendwie so ne‘ Petri-Schale und einen gerösteten Frosch…“

Als Gegenzug hat er mit mir ein 10 minütiges Video über Uerdingen gemacht. Er hatte auch irgendwie so ne‘ Petri-Schale und einen gerösteten Frosch…für mich sah es jedenfalls aus wie ein gerösteter Frosch. Hat den Frosch in der Petri-Schale zerkleinert, in die Pfeife gestopft, sich das Zeug reingezogen und danach 10 Minuten mit mir über seine Kindheit und Uerdingen gesprochen. Das war schon ziemlich crazy…


NMAA:

Du warst mit Pete ja im Studio und um 2 Uhr morgens hat er sich überlegt, jetzt wäre ein günstiger Zeitpunkt um aufzunehmen. Nachdem er völlig drüber war.


Gerrit:

Das war für Johann, den Produzenten, schwierig. Er legt schon - ganz norddeutsch - wert auf Disziplin und Pünktlichkeit. Johann blockt den ganzen Tag das Studio für Pete und Pete taucht dann nicht auf. Stattdessen ruft er mitten in der Nacht an und sagt:“Hey Johann, können wir jetzt aufnehmen?“. Johann war natürlich wenig begeistert, aber das gehörte damals irgendwie zu der Arbeit mit Pete dazu. Pete‘s aktueller Manager, war im übrigen mal 4.Liga Profi in England und hat dort bei einem Pokalspiel ein legendäres Tor geschossen, auch ein steiler Fußball-Typ.

“Stattdessen ruft er mitten in der Nacht an und sagt:“Hey Johann, können wir jetzt aufnehmen?“…“

Pete sieht sich nachts im übrigen ganz gern Hooligan Videos aus England an. Casual Riot Videos. Die hab ich mit ihm zusammen gesehen. 


NMAA:

Ich komm nochmal zurück auf dein Buch „Dancing Shoes“ und den dazugehörigen Besuch bei TV Total. Ich fand Stefan Raab recht abwertend, was das Fotografieren von Schuhen betraf. Hat dich das genervt?


Gerrit:

Nein, überhaupt nicht. An dem Tag ist mir echt eine Chance entgangen. Wäre ich ganz normal gewesen, hätte ich vielleicht sowas werden können, wie ein neuer „Elton“, da ich schon recht schlagfertig und taff bin. Ich fand es schon ziemlich geil, dass ich damals da war. Das war auch wichtig, um noch ein Level weiter zu kommen. 

“Wäre ich ganz normal gewesen, hätte ich vielleicht sowas werden können, wie ein neuer „Elton“, da ich schon recht schlagfertig und taff bin.“

Was für mich schon fast traumatisch nachhängt ist, dass ich von meinen Leuten 5-6 Personen mitgenommen habe. Meinen Bruder, meine damalige Freundin…und meine damalige Freundin war gefühlt etwas eifersüchtig oder unsicher. Sie hat gemerkt, dass ich jetzt bekannter werde und konnte damit nicht so gut umgehen. Ich hätte da alleine hingehen sollen. Der ganze Vibe an dem Abend und in der Nacht vorher war nicht gut. Ich konnte nicht pennen und meine Locken lagen nicht. Das war schonmal Scheisse. Die Redakteurin, die mich eingeladen hat mochte mich, aber wenn du dann merkst, dass deine Leute die Situation überfordert, ist das kacke. Dann ging es weiter: Zu der Zeit wog ich 40 Kilo weniger und trug immer ein weißes Hemd, ein Seidentuch, goldene Schuhe. An dem Tag hatte ich allerdings etwas an, was ich noch nie getragen hatte. Eine Freundin - Modedesignerin - hatte eine Lebenskrise und ich wollte ihr irgendwie ein gutes Gefühl geben. Also hab ich Kleidung von ihr bei dem Auftritt getragen. Das hat mich trotzdem verunsichert. Die dritte Sache war, ich geh in die Maske und da sitzt der Choreograf Jorge von Germanys Next Topmodel. Er bekam gerade die Haare geglättet und dann kam ich rein. In der Maske fragte man mich dann:“Was machen wir jetzt mit dir?“ und ich antworte:“Meine Locken liegen nicht!“. Das Glätteisen war wohl noch warm und so hab ich mir in einem schwachen Moment die Haare glätten lassen. Keine Ahnung was ich mir dabei gedacht habe. Ich hab mich angesehen und gedacht: “Oh mein Gott…was hab ich da getan?!“. Dann kommt Stefan Raab sagt „Hallo!“ und als nächstes „Wie siehst du denn aus?“. 

“Das Glätteisen war wohl noch warm und so hab ich mir in einem schwachen Moment die Haare glätten lassen. Keine Ahnung was ich mir dabei gedacht habe.“

Das war so scheisse… Dann war auch noch meine Brille kaputt und anstatt da ohne Brille reinzugehen, hab ich den Bügel an der Seite behelfsmäßig geklebt. Dabei saß dort auch Lena Meyer Landrut, mit der ich mich verstanden habe und die mir ihre Brille angeboten hat. 

Dass du bei Raab ein bisschen durch den Kakao gezogen wirst, war ja absehbar. Ich hatte mir auch schon Antworten zurecht gelegt. Insbesondere auf die Frage, ob die Schuhfotos von mir ein perverser Fetisch sind. Raab hat allerdings eine Metzger-Lehre gemacht. Da lagen die Trümpfe in meiner Hand. Ich war aber an diesem Abend wenig schlagfertig und das musste man bei diesem Format sein. Je schlagfertiger du bist, umso besser findet Stefan Raab es. Hätte ich mich da - für mich - anständiger oder taffer präsentiert, wäre mein Weg vielleicht ein anderer geworden. Der Auftritt war zwar an sich gut, aber alle haben mich danach gefragt: “Was war denn mit deinen Haaren?“. Andererseits ist es auch cool, dass genau die Haare dazu führten, dass es den Leuten in Erinnerung geblieben ist.


NMAA:

Raab hat sich glaube ich insbesondere über die Füße von Beth Ditto (Gossip) lustig gemacht.


Gerrit:

Sie hat als recht voluminöse Frau immer barfuß performed. Außerdem kann sie schlecht in Stöckelschuhen auf der Bühne rum springen. Ihren von mir abgelichteten Schuh fand ich allerdings ziemlich geil. Da gibt es auch eine schöne Anekdote. 

“Was soll ich sagen…Lemmy hat mir das Buch mit der Widmung nicht mehr zurück gegeben… ich dachte: Na gut, jetzt hab ich zumindest ein Bild von Lemmy.“

Ich hab mir keine Freigabe für das Schuhbild von Beth geholt, sondern es einfach in meinem Buch abgedruckt. Als ich dann auf dem Pink Pop in den Niederlanden war, hat Beth von mir das Buch bekommen, um es zu signieren und ein gemeinsames Bild zu machen. Sie hätte ja auch ausflippen können, stattdessen hat sie total cool reagiert und gesagt: “Oh Gott..meine Füße!“. Am Ende hat sie auf deutsch „Das ist sehr punk!“ darauf signiert. Danach hat sie mich an die Hand genommen, wir sind Backstage gegangen und haben noch Bilder gemacht. Unter anderem davon wie sie meine Brille trägt und einen Joint raucht. Plötzlich lief Lemmy von Motörhead vorbei. Ich hatte aber nur dieses eine Buch mit, das was sie mir bereits signiert hatte. Man muss dann schnell sein, nicht lange fackeln, sondern sofort anquatschen. Hau also Lemmy an, wegen nem Bild von seinen Schuhen. Drück ihm zur Ansicht mein Buch in die Hand. Er nimmt das Buch und sagt mit einer Whisky-Stimme: „One Shot!“. Was soll ich sagen… Lemmy hat mir das Buch mit der Widmung nicht mehr zurück gegeben… Ich dachte: Na gut, jetzt hab ich zumindest ein Bild von Lemmy.


NMAA:

Franz Ferdinand haben dein Hobby mit den Schuh-Bildern, aber nicht ganz verstanden.


Gerrit:

Die waren irritiert. Das war 2007 oder 2008 auf dem MELT!. Tja und manche Musiker sind eben auch auf nem Trip oder irgendwie drauf und du fragst sie „Kann ich nen Foto von dir machen?“. Die Musiker posieren dann, dabei wollte ich nur die Schuhe fotografieren. Das hat Teile der Band dann doch ziemlich irritiert. Bei Franz Ferdinand spielte längere Zeit auch ein Deutscher, der die Band aus familiären Gründen verlassen hat. Nick McCarthy war das. Er hat zu meinem letzten Film mit seinem Sideproject, 2 Songs beigesteuert.


NMAA:

Du hast mal gesagt: “Die Stellung der Füße von Musiker:innen, spiegeln häufig nicht die Körpersprache auf der Bühne wieder" und das hätte dich auch etwas zu diesen Bildern inspiriert.


Gerrit:

Das ist das Spannende. Erstmal der Style der Schuhe. Sind die Schuhe abgenutzt? Haben die Spuren? Wie steht jemand? Das drückt sehr viel über die Spannung oder Haltung oder auch über mögliche Unsicherheiten aus. 


NMAA:

Kannst du dich an Kunster:innen erinnern, wo der Kontrast besonders groß war zwischen Körpersprache und Stellung der Füße? Wo du sagst: Die Person fühlt sich gerade sichtlich unwohl.


Gerrit:

Bei allen Indie Künster:innen würde ich sagen, allerdings kann es da auch durchaus sein, dass die Menschen einfach gerade zum Beat mitgegangen sind. So direkt fällt mir aber niemand ein.


NMAA:

Was ist dein Lieblingsbild in deinem Buch „Dancing Shoes“?


Gerrit:

Das Buch an sich fand ich nie so mega schön. Man hätte es anders gestalten müssen. Nur Bilder auf weiß, das ist dann doch am Besten. Mein wichtigstes Bild ist der goldene Schuh von Alison Mosshart von „The Kills“. 

“Der goldene Schuh steht für Glanz, Glamour…für high moments. Der Schuh ist gleichzeitig sehr abgenutzt und das steht wiederum für Einsamkeit, Depression. All das ist Rock‘n Roll.“

Dieser goldene Schuh ist mein wichtigstes Foto überhaupt. Der goldene Schuh steht für Glanz, Glamour…für high moments. Der Schuh ist gleichzeitig sehr abgenutzt und das steht wiederum für Einsamkeit, Depression. All das ist Rock‘n Roll. Der stetige Wechsel zwischen high - low. Das alles steckt in diesem Bild! Das war meine Inspiration, warum ich mir meine Schuhe auch gold gesprayt habe.


NMAA:

Machst du das heute auch noch?


Gerrit:

Ja klar! Ich bin über die Jahre allerdings dicker geworden und wenn ich zu lange solche Schuhe trage, merke ich das doch leider irgendwann.


NMAA:

In deinem Buch ist auch ein Foto von den Schuhen der „Hives“. Man denkt bei deren smartem Auftreten nicht, dass die Schuhe so derbe runtergerockt sind.


Gerrit:

Die Schuhe sind häufig das Kleidungsstück, welches auf der Bühne bei einem Konzert nie gewechselt wird. Manche performen dauerhaft in den selben Schuhen, aber immer wieder in anderer Kleidung. Der Legende nach soll Michael Stipe von R.E.M die Schuhe bei jedem Konzert getragen haben. Die Schuhe sind so abgenutzt und haben so viele Falten. Mehr Falten als die Stirn von Michael Stipe. Das hat mich immer fasziniert wie abgenutzt dieser Schuh war. Retrospektiv betrachtet, hätte ich damit nie aufhören dürfen. Ich hätte mit dem Fußball brechen müssen. Zumal ich ohnehin zur Zeit von „Dancing Shoes“ 2 Jahre Stadionverbot bekommen habe, als wir 2010 mit dem VfL Bochum gegen Hannover abgestiegen sind. 3 Tage vor TV Total hab ich mein Stadionverbot erhalten, ich glaub das war ein Zeichen. Ein Zeichen zu sagen „Komm scheiss auf Fußball und mach dein Popkultur-Ding“. 


NMAA:

Du hast nen Bierbecher geworfen, oder?


Gerrit:

Ja einen Weichplastik-Becher…einen LEEREN WEICHPLASTIK-BECHER! Irgendein Junge wollte sich mit seinem Vater noch Autogramme holen. Nach dem Abstieg. Ich hab gesagt:“Von den Versagern willst du doch wohl keine Autogramme!“. Der Vater hat sich dann allerdings über meine Äußerung sehr aufgeregt und wollte mich wegschubsen, ist dann jedoch selber hingefallen. Das sah für andere so aus als hätte ich den Vater umgeworfen. Dann saß ich in der Zelle in Bochum. Vor mir 2-3 Polizisten und ich musste alles ausleeren, Taschen, usw. Zusätzlich hatte ich an dem Tag meine goldenen Stiefel an. In der Hosentasche hatte ich: Handy, Schlüssel und zwei in gold verpackte Kondome. Goldene Schuhe, in gold verpackte Kondome…ich glaub das wirkte schon seltsam. Man musste dann ein Foto von mir machen. Ich war total begeistert, denn das wurde 2010 noch mit ner Polaroid gemacht. 

“Naja…die Schwalben konnte Andy Möller aber besser!“

Natürlich hab ich die Klappe nicht gehalten und ein bisschen damit gespielt und gefragt, ob meine Haare richtig liegen. Die haben mich mit Sicherheit für einen totalen Wi***er gehalten. Jedenfalls wurde ich in die Zelle gebracht, wo bereits zwei Bekannte von mir saßen. Die Polizisten haben mich leicht in die Zelle gestoßen und ich hab mich etwas theatralisch fallen lassen. Die Bullen: “Naja…die Schwalben konnte Andy Möller aber besser!“.


NMAA:

Du warst aber nochmal in Bochum im Knast.


Gerrit:

Davor schonmal. 2007 glaub ich, für eine Fotostrecke für Ballesterer. Das war in dem Jahr als Stuttgart Meister wurde. Da habe ich mich an einem Spieltag während des Spiels in den Knast gestellt, um Bilder zu machen. Mich hat immer schon fasziniert, dass direkt neben dem Ruhrstadion der Knast steht. Mein Lieblings-Pommestyp, Pommes-Horst, steht mit seinem Wagen direkt vor den Knast-Mauern. Ich hab mich immer gefragt „Wie ist das denn jetzt? Dürfen die während des Spiels auf den Hof? Riecht man die Pommes?“ 

“Mich hat immer schon fasziniert, dass direkt neben dem Ruhrstadion der Knast steht.“

Ich hab der Öffentlichkeitsstelle eine Mail geschrieben und die haben zugestimmt. Ich bekam eine Führung und durfte auf dem Hof fotografieren. Das war schon verrückt. Du hörst Grönemeyer, hörst die Gesänge. Ich hab mir eingebildet man könnte den Dunst vom Pommeswagen wahrnehmen. Direkt auf der Höhe des Flutlichtmast ist ein Gewächshaus, das ich fotografierte. Natürlich nicht, ohne die Aufmerksamkeit der Insassen auf mich zu ziehen… Das war schon ein etwas rauherer Ton. Daneben ist eine Werkstatt in der recht schwere Jungs, Kinderpuppen herstellen. Das ist schon reichlich bizarr. Die Fotostrecke hatte den Titel „Kein Hofgang um 15:30“. Die durften tatsächlich nicht raus. In meiner Fantasie hab ich mir allerdings vorgestellt, dass zum Spiel, alle auf den Hof dürfen.

...to be continued 

 

An dieser Stelle noch ein kleiner Veranstaltungstipp:

Wer mehr von Gerrit sehen möchte, hat am 18.05.23 ab 14uhr im Stadion am Schloss Strünkede, die Chance ihn und die Pottoriginale beim Spiel der Pottoriginale All Stars vs. Die deutsche NACKTionalmannschaft zu treffen! 

 


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