Sonntag, 6. August 2023

Auf die Ohren - Walls of Jericho - Turock - Essen

Walls of Jericho - Turock Essen - 01.08.2023

English version below! 


Triggerwarnung: Depressionen, Suizid 

Am vergangenen Dienstag zog es uns mal wieder ins Turock, an den Viehofer Platz in Essen. 

Schon fast ritualisierend, trafen wir uns vorher mit unserer Begleitung im Café Nord, welches ca. 50 Meter entfernt vom Turock liegt. Wer sich gern eine Grundlage für einen bierseligen Abend schaffen möchte, dem/der empfehlen wir wärmstens, das vegane Gyros im Café Nord. Allen alkoholfreien Menschen können wir die ordentliche Portion zum erschwinglichen Preis (11€) ebenfalls ans Herz legen.

Wir verquatschten uns ein bisschen und trudelten erst pünktlich zu Walls of Jericho ins Turock. 

Der gut gefüllte Laden versprach zumindest Publikums-technisch, für den Gig keine Enttäuschung zu werden. Dann ist es so weit und Sängerin Candace Kucsulain betritt samt Band die Bühne. Die 5 Musiker:innen aus Detroit fackeln auch nicht lange und es geht ungebremst in die Vollen. Mit dem ersten Anschlag an der Gitarre sind wir abgeholt. Was für eine Power! Wie Kusculain es schafft über das gesamte Konzert nicht einmal den Eindruck zu erwecken, auch nur im Ansatz etwas Kraft zu verlieren. Es gibt zwar keine Zugabe, dafür mehr als 60 Minuten wenig Gelaber und astreiner Hardcore! Beeindruckend finden wir die stimmliche Range der amerikanischen Sängerin. Von Metal, über klassischen HC, bis zu klarer melancholischer Stimme, bringt ihr Repertoire alles hervor, was Instrumente begleiten kann. Wer sich selbst einen Eindruck hiervon machen möchte, schenkt den Alben „No one can save you from yourself“ und dem mit Corey Taylor (Slipknot) produziertem „Redemption“ das Gehör. Größer könnte der Unterschied wohl kaum sein. 

Zum Song „Forever Militant“ muss einer von uns dann doch kurz innehalten. Niko möchte gern erklären warum:

Ich geh zurück ins Jahr 2020. Ziemlich genau vor exakt 3 Jahren. Nach einem gescheiterten Suizid-Versuch finde ich mich stationär im LVR-Klinikum Düsseldorf-Grafenberg wieder. Die ersten meiner Tage im Krankenhaus verbringe ich überwiegend sitzend auf meinem Krankenbett und schaue apathisch aus dem Fenster. Ich wollte eigentlich nur sterben - mehr wollte ich nicht. Die wenigen Leute, die mich besuchen durften und die ich in meine Nähe ließ wurden damit „belohnt“, dass ich deren Gesellschaft häufig nicht länger als 20-30 Minuten aushalten konnte und sie kamen trotzdem wieder und gaben mich nicht auf. Dafür werde ich ewig dankbar sein! 

An einem weiteren düsteren Tag schrieb Bella mir: “Versuch dich vielleicht ein bisschen abzulenken. Geh spazieren oder hör etwas Musik.“ 

Widerwillig und nach langem Diskutieren über die Sinnhaftigkeit meines Ausflugs in die „Irrenanstalt“, wie ich gern abfällig über mich selbst urteilte, ließ ich mich dazu bewegen es mit Musik zu versuchen, da Lesen aufgrund der Konzentrationsschwäche und Medikamente, ohnehin nicht möglich war. 

Ich stieß auf Walls of Jericho, die ich bereits vor Jahren mal auf nem’ Festival gesehen hatte. Den Song „Forever Militant“ fand ich schon immer gut, allerdings ohne den Text jemals richtig gelesen zu haben. 

Aber ich hatte ja Zeit, denn die Klinik war nun erstmal mein zu Hause. Also nahm ich mir vor, wenn ich schon kein Buch mehr lesen konnte, lese ich eben - soweit möglich - die Texte der Songs. 8 Wochen lang saß ich also da…und begann diesen einen Song rauf und runter zu hören. 

Versteht mich nicht falsch, um Depressionen in den Griff zu bekommen ist ein Song mit viel Pathos bei weitem nicht ausreichend. Man benötigt primär ärztliche Hilfe, eine Therapie, evtl. Medikamente. Was aber dabei unglaublich auf Weg unterstützt, diese Krankheit zu beherrschen, sind Freunde, Partner:innen, jede Menge Mut und vielleicht auch Musik. Vielleicht sogar - wie bei mir - dieser Song. Das Album auf welchem man „Forever Militant“ findet, heißt „No one can save you from yourself“. Das ist grundsätzlich richtig, allerdings kann man dir dabei helfen, dich vor dir selbst zu schützen und wenn es dieser Text ist, dieser Song, irgendein Song, dann ist das ein Anfang. Egal wie dunkel deine Gedanken auch sein mögen, wie ausweglos deine Situation auch erscheinen mag. Es kann besser werden und es wird besser! Es wird vielleicht nicht mehr wie „früher“, aber das muss es auch gar nicht. Man kann lernen mit dieser Krankheit zu leben. Man kann Lebensqualität zurückgewinnen. Man kann sich sogar irgendwann wieder selbst lieben.

Und wenn du, der- oder diejenige, welche/r gerade diesen Text liest, dies gerade nicht kann, möchte ich dir sagen - ob wir uns nun kennen oder nicht -

Ich liebe dich, denn du bist es wert geliebt zu werden und wirst das auch selbst wieder erkennen!

Habt einen erholsamen Sonntag!



English Version:

TW: Depression, suicide

Walls of Jericho - Turock Essen

Last Tuesday we went to the Turock again, at Viehofer Platz in Essen. Almost ritualistic, we met beforehand with our companion at Café Nord, which is located about 50 meters away from the Turock. Who would like to create a basis for a beer-filled evening, we highly recommend the vegan gyros at Café Nord. For all non-alcoholic people, we can also recommend the decent portion at an affordable price (11€).

We chatted a bit and trundled into the Turock, just in time for Walls of Jericho.

The well-filled place promised, at least audience-wise, not to be a disappointment for the gig. Then it's time for the show and singer Candace Kucsulain enters the stage together with her band. The 5 musicians from Detroit don't take a long time to get going. With the first strum on the guitar we are thrilled. What a power! How Kusculain manages to never give the impression of losing some strength during the whole concert. There is no encore in the end, but more than 60 minutes of very little jabbering and a lot of straight hardcore! The vocal range of the American singer is just impressive. From metal, to classic HC, to clear melancholic voice, her repertoire brings out everything that can accompany instruments. If you want to get an impression of this, listen to the albums "No one can save you from yourself" and "Redemption", produced with Corey Taylor (Slipknot). The difference could hardly be bigger.


For the song "Forever Militant" one of us has to pause for a moment. Niko would like to explain why:

I go back to the year 2020, almost exactly 3 years ago. After a failed suicide attempt, I find myself hospitalized at the LVR-Hospital Düsseldorf-Grafenberg. I spend the first few days of my stay in the hospital mainly sitting on my bed and apathetically looking out of the window. All I really wanted was to die. The few people who were allowed to visit me and whom I let near me, were "rewarded" with the fact that I often could not stand their company for more than 20-30 minutes and they still came back and did not give up on me. For this I will be eternally grateful!

On another gloomy day, Bella wrote me, "Maybe try to distract yourself a little. Go for a walk or listen to some music."

Reluctantly and after a long discussion about the sense of my trip to the "lunatic asylum", as I liked to judge myself disparagingly, I let myself try it with music, since reading was not possible anyway due to the lack of concentration and my medication.

I came across Walls of Jericho, who I had already seen years ago at a festival. I always liked the song "Forever Militant", but without ever having read the lyrics properly.

But I had plenty of time, because the clinic was my home for the time being. So I decided, if I couldn't read a book anymore, I would read the lyrics of the songs - as far as possible. So for 8 weeks I sat there...and started to listen to this one song over and over again.

Don't get me wrong, to get depressions under control one song with a lot of pathos is by far not enough. You primarily need medical help, a therapy, possibly medication. But what is incredibly supportive on the way to master this disease are friends, partners, a lot of courage and maybe also music. Maybe even - like for me- this song. The album on which you can find "Forever Militant" is called "No one can save you from yourself". That's basically true, however, you can be supported to save yourself from yourself and if it's this lyric, this song, any song, then that's a start. No matter how dark your thoughts may be, how hopeless your situation may seem. It can get better and it will get better! It may not be like "before", but it doesn't have to be. You can learn to live with this disease. You can regain quality of life. You can even love yourself again someday.

And if you, the one who is reading this text, cannot do this right now, I would like to tell you - whether we know each other or not - that you can learn to live with this disease.

I love you, because you are worth to be loved and you will recognize this yourself!


Have a relaxing Sunday!


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