[GASTBERICHT] von Chris Core
Vamos, Chicos! Oder: It's always sunny in El Cotillo
Es ist der 05.11.2022, 12:27 Uhr, 32°C Außentemperatur, wir sind in El Cotillo, Fuerteventura. Es ist Heimspieltag und wir sind in Eile. Deportivo El Cotillo gegen Deportivo Valleseco heißt die Partie. Wir lösen zwei Tickets á 5 Euro und betreten das Estadio Municipal. Vor einer Stunde waren wir noch an der Nordküste surfen und deshalb sind wir auch zu spät. Das Spiel hat bereits um 12:00 Uhr angefangen, High Noon. Um kurz vor 12 haben wir unsere Surfbretter an der Surfschule sauber gemacht und im Regal verstaut. Aus dem Stadion, direkt auf der anderen Straßenseite, war bereits die Musik zu hören, mit der die ca. 150 Besucher auf die Partie der Liga Regional Preferente Canarias eingestimmt werden sollten. Reggaeton nennt man das, wie uns unsere Surflehrerin Paula, ehemalige Fußballjournalistin aus Barcelona, verriet. Also, keine Zeit verlieren, schnell in die FeWo, Boardshorts gegen richtige Hosen tauschen, Bargeld einstecken und ab ins Stadion...
Der Spielort ist ein Kunstrasenplatz, auf allen Seiten von einer 3m hohen, weiß gekalkten Mauer umschlossen. Die Spielerbänke sind mit Betondächern versehen, auf denen zwei Kameramänner stehen. Dieser Umstand wird später noch Erwähnung finden.
Wir bleiben kurz in der prallen Sonne stehen und lassen die Szenerie auf uns wirken. Ca. 150 bis 200 Zuschauer sind anwesend, ausnahmslos Heimfans. Das bedeutet: 98% Einheimische, der Rest britische Touristen, einwandfrei an ihren richtig miesen Tattoos und ihrer Verweigerungshaltung gegenüber Oberbekleidung zu erkennen (Reminder: 32°C, Mittagshitze) und eben wir.
Dieses "Wir", das sei an dieser Stelle noch angemerkt, wird in diesem Bericht sowohl für den Autoren und seine Begleitung als auch für die Heimmannschaft samt Anhängerschaft verwendet. Schließlich sind wir zum dritten Mal in diesem Ort in den Ferien und, hey, da fängt man schon langsam an, sich hier zu identifizieren.
Aber keine Auswärtsanhänger? Nunja, Deportivo Valleseco ist auf Gran Canaria zu Hause, das macht die Auswärtsfahrten sicherlich komplizierter als wir das von daheim gewohnt sind. Überhaupt: ich kenne diese Liga zwar nicht, aber sie scheint auf allen kanarischen Inseln Teilnehmer zu beheimaten, da fliegen dann sogar die Amateure zum Auswärtskick. Co2-abdruckmäßig betrachtet sicherlich schwierig, aber mir fällt da jetzt auch keine Lösung ein.
Ich mag mich wiederholen, aber es ist wirklich heiß. Also schnell zwei, drei Fotos mit den ersten Eindrücken gemacht und dann schnellstens den Bierstand aufgesucht. Ein alter Container, Zapfanlage, Grill (nicht in Betrieb, das wird noch Folgen haben...) und am Ausschank: der Wirt der kleinen Tapasbar, in der wir vor ein paar Tagen waren (günstig, urig und beliebt bei Surfern und Surflehrern). Das 0,3er Bier kommt vom Faß, ist eiskalt, kostet 1,50 € (das wird noch Folgen haben) und wird leider in Einwegbechern ausgeschenkt. Ansonsten gibt es Wasser, Pepsi und diese kleinen Chipsdosen, die man zu Hause auch im Kino bekommt.
Wir haben keine Ahnung, wie der Spielstand ist, wir haben ja ca. 20 Minuten verpasst (man fängt hier nicht pünktlich an, falls jemand jetzt nachrechnen sollte) und eine Anzeigetafel gibt es nicht. Aber das Spiel ist gut anzusehen. Wir haben eben unsere Plätze mit dem ersten Bier in der Hand an der Seitenlinie eingenommen, als der gegnerische Torhüter den Stiefel unseres Stürmers ins Gesicht bekommt. Dies wird von den Anwesenden mit der allgemeinen Aufforderung, er solle sich doch gefälligst nicht so anstellen, kommentiert. Das Auftreten der medizinischen Abteilung von Valleseco wird mit ähnlicher Ungeduld kommentiert. Cotillo (die Insider lassen das "El" weg) stürmt und drängt, hat einige Chancen, aber der Tabellensechste von der Nachbarinsel weiß das Unheil zu verhindern. Dann wird zum Pausen(Eis)tee gepfiffen und unser Freund aus der Tapasbar kommt richtig im Schwung als die Tribüne sich kurz leert und der Marsch zur Rehydrierung angetreten wird.
15 Minuten nach Wiederanpfiff eine Schrecksekunde: Ein unerwarteter Querschläger trifft den Kameramann über der Auswärtsbank unerwartet am Kopf. Dieser Zwischenfall nötigt den Zuschauern dann auch Mitleid ab. Riesige Kanister mit eiskaltem Wasser werden dem guten Mann hochgereicht, es scheint nichts schlimmeres passiert zu sein, der Mann kann seine Aufgabe weiter wahrnehmen und die Partie kann weitergehen.
Wir sind inzwischen beim fünften oder siebten Bier und stellen fest, dass wir heute vor dem Surfunterricht nur leicht gefrühstückt haben. Wunderbar, keine Termine und leicht einen sitzen. Ein Tor würde der Partie jetzt gut tun, passiert aber leider nicht. Es bleibt ausgeglichen, unser Torhüter Omar kann die eine oder andere Katastrophe verhindern. Wir versuchen nochmal, nach vorne zu drängen, die "Vamos, chicos!" Rufe werden nochmal laut, aber leider vergeblich. Also trinken wir uns in dieser unvergleichlichen Kulisse mit strahlend blauem Himmel, Familien auf der Tribüne, die unter mitgebrachten Sonnenschirmen sitzen und diesem kargen Hügel im Hintergrund durch den Rest der zweiten Halbzeit und beschließen, dass ein 0:0 nach dem mit 3:1 verlorenen Lokalderby gegen Las Playitas vergangene Woche gar nicht ganz so schlimm ist.
Nächstes Jahr kommen wir wieder, und dann kauf Ich mir ein Trikot von Deportivo El Cotillo. Die sind nämlich wirklich schön und ich mag diesen Ort wirklich sehr. Solltet ihr mal in die Verlegenheit kommen, während der Spielzeit hier Urlaub zu machen, seht euch unbedingt ein Heimspiel von Deportivo El Cotillo an, es lohnt sich.
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