Yoshi und Roman kannten sich bereits in der Schule, über ihre Leidenschaft zum Fußball sind die beiden enge Freunde geworden. Während also andere von ihren Clubnächten erzählten, konnten die zwei Jungs von Weckern, die um 5h morgens den Weg nach Mannheim einläuteten, Menschenbissen oder über ein finanzielles Leben am Limit in Großbritannien berichten. Selbst gehen die Beiden mit der Grounhopper Seite „Groundhoppeln“ bei Instagram an den Start. Uns haben sie am vergangenen Samstag freundlicherweise ein paar Fragen beantwortet. Aber lest selbst:
NMAA: Bevor wir euch länger vom Spiel abhalten, fangen wir direkt mit der ersten Frage an.
Was treibt euch nach Herne?
Roman: In erster Linie auf jeden Fall das Stadion. Das ist wirklich ein richtig altes Schätzchen. Normalerweise geht ja oft die gefürchtete „Hopperkasse“ rum, das kennt ihr ja wahrscheinlich.
Yoshi: Dafür ist Herne bekannt.
Roman: Aber generell ist es die (Fußball-) Kultur, die man über solche Plätze aufsaugen kann - man sieht die ganzen Leute, die Gastfreundschaft - das ist einfach das Größte!
Yoshi: Dazu kommt auf jeden Fall die Nostalgie und wirklich noch ehrlicher Fußball. Wir können natürlich auch in der Gladbacher Nordkurve stehen, aber gucken uns lieber Grounds wie zum Beispiel die Grotenburg an.
Roman: Gestern fragte ein alter Kumpel „Hey ich hab Karten für die Nordkurve, willst du mit?“ und ich meinte „Ne sorry da kann ich leider nicht, ich bin in der Grotenburg“ - Das ist einfach ein richtig schönes, altehrwürdiges Stadion und sowas hat dann auf jeden Fall Vorrang für mich. Einfach die Leute zu sehen, alles noch am Boden geblieben, an der Basis eben.
Yoshi: Wir trinken grad Glühwein mit Schuss für 2,50€ und hatten vorher Currywurst für 2€. Was will man mehr?
NMAA: Das ist ja auch Rum mit einem Schuss Glühwein muss man sagen, Andrea hat es wirklich gut gemeint mit uns.
Aber weiter mir der nächsten Frage. Ihr seid auch Fan von Profi-Mannschaften?
Roman: Ja, ich bin Paderborn Fan.
Yoshi: Und ich MSV Duisburg Fan.
NMAA: Seid ihr da in der Szene aktiv?
Roman: Ne überhaupt nicht. Wir sind zwar gerne im Stimmungsblock, also schon da wo die Ultras stehen. Das ist - wie Yoshi immer gerne sagt - einfach ein schönes Ventil zum normalen Alltag. Man ist sonst die ganze Woche unterwegs, man hat viel zu tun und der Kopf raucht, dann geht man ins Stadion und kann komplett Dampf ablassen. Das ist einfach der Wahnsinn. Wenn du dann für deinen Verein da bist, dann fieberst du automatisch mit, das ist für uns die beste Ablenkung, die es gibt.
NMAA: Wir sind heute in Herne. Es wird immer mehr, dass Menschen zu kleinen Vereinen finden und den Profifußball verlassen. Glaubt ihr das ist das Ergebnis der aktuellen Kommerzialisierung wie wir sie in den letzten Jahren in Deutschland und weltweit erleben? Sehnt sich der Mensch einfach wieder mehr nach dem „Back to the roots“?
Roman: Auf jeden Fall!
Yoshi: Ich glaube durch den Kommerz wird den Fans immer weiter der Rücken zugekehrt. Noch mehr Kommerz, immer Fan-Unfreundlicher... Auch jetzt während Corona hatte ich eigentlich die Hoffnung das den Vereinen auffällt, dass ohne Zuschauer auch Gelder verloren gehen und sie merken woher die Mittel eigentlich kommen, wovon der Fußball lebt, aber am Ende ist gefühlt das Gegenteil passiert.
Roman: Das beste Beispiel ist die Fußballnationalmannschaft. Ich hab einen Kollegen, der hat früher zig Länderspiele mitgenommen. War in Bulgarien oder bei der EM 2000. Und selbst er sagte - als es dann begann mit „Die Mannschaft“ - der einzelne Fan interessiert überhaupt niemanden mehr.
Die Vereine oder die Nationalmannschaft nehmen vielleicht noch wahr wieviel Trikots verkauft wurden - aber auch da werden völlig utopische Preise von 80€ und mehr aufgerufen.
Ich würd mir heute nicht mal mehr das aktuelle Paderborn Trikot kaufen.
Yoshi: Das ist halt auch bezeichnend, wenn ein Investor kommt und sich urplötzlich der Vereinsname ändert oder die Vereinsfarben gewechselt werden.
Roman: Man merkt es doch an den Anstoßzeiten beim Fußball. Du hast als Beispiel Rostock, die allein schon durch ihre geografische Lage immer lange Fahrten auf sich nehmen müssen. Montagabend treten sie dann bei 1860 München. Da interessiert sich doch niemand für die Fans. Hauptsache Magenta Sport hat jetzt den neusten Vertrag ausgehandelt und gute Einschaltquoten. Natürlich machen die Vereine mit, in der 3. Liga sind die finanziell oft im Arsch, das Geld wird gebraucht. Trotzdem wird auf die Fans geschissen, auf die, die ebenfalls ihr letztes Kleingeld zusammenkratzen würden, um ihren Verein auf irgendeinem Ascheplatz in der Kreisliga sehen zu können.
Yoshi: Es fehlt einfach häufig die Wertschätzung finde ich. Wenn man hier (in Herne) steht, dann zählt man wirklich noch als Besucher. Wenn ich aber jetzt in Gladbach in der ausverkauften Nordkurve stehe - ob ich da bin oder nicht - das interessiert doch keinen.
Roman: Da haben wir vorhin noch drüber gesprochen. In so einem hochmodernen Stadion - hauptsache möglichst viele Leute haben es bequem - da geht es nicht um die einzelnen Fans.
NMAA: Also Fazit ist: Amateurfußball macht uns eigentlich glücklicher?
Yoshi: Auf jeden Fall. Es geht eben um Fußball.
Roman: Um ehrlichen Fußball.
NMAA: Es geht um den Menschen, um ehrlichen Fußball, der ja auch einen gesellschaftlich-sozialen Aspekt erfüllt. Dieses zusammenkommen - ihr habt das eben schön beschrieben - man will mal ein bisschen Dampf ablassen, den Alltag ein bisschen vergessen, Arbeit oder Studium oder was auch immer. Man könnte sagen Spiele wie hier - wir stehen hier schön mit einem Glühwein wo weniger Glühwein drin ist, aber mehr Schuss, dafür noch mal Danke an Andrea! - genau für solche Erlebnisse und genau für solche Menschen seid ihr hier oder?
Yoshi: Genau, da wird die Currywurst noch im Topf gekocht und für 2€ verkauft. Vermutlich von irgendeiner Mutti, die sich dazu bereit erklärt hat. Da gibts doch nix geileres.
Roman: Wenn du dann stattdessen so eine Scheiße siehst wie in München ein Footballspiel ausgetragen wird, alle Menschen gehen dahin, alle freuen sich, dass übelst laut „Country Roads“ gesungen wird. Das reizt doch keinen. Das ist Mainstream scheiße.
Paderborn ist irgendwann aufgestiegen in die 1.Liga, da hab ich auch gedacht „So was brauch ich nicht“. Alle natürlich völlig euphorisiert, ich hatte keinen Bock auf die ganzen „Fans“ die plötzlich wieder nach Paderborn kommen und aus dem Nichts Paderborn-Fans sind. Dann spielst du gegen Bayern und auf ein Mal ist die Bude voll.
Ich hab die Zeiten erlebt, da waren wir in der dritten Liga, da ist Paderborn gegen Osnabrück fast in die Regionalliga abgestiegen und nur wegen 1860 konnte man sich drin halten. Wenn du in der 3. Liga gegen Rot-Weiß Erfurt zuhause spielst, ist kein Mensch da. Dann spielst du im DFB Pokal im Viertelfinale gegen Bayern und die Hütte ist voll.
Yoshi: Was wir auch immer sagen - ich mein wir sind auch viel auswärts gefahren - die Spiele an die du dich wirklich zurück erinnerst und wo andere dir vielleicht den Vogel zeigen, sind so Sachen wie der Niederrheinpokal in Velbert. Das ist einfach so im Kopf geblieben, wir waren da wirklich am Arsch der Heide, aber das Erlebnis war super.
Roman: Das ist ein guter Punkt, das zählst du nicht nur zu diesem Groundhopping- und Stadionerlebnis hinzu, sondern es geht um alles was du drum herum erlebst. Als wir hingefahren sind waren zum Beispiel noch eine Mutter mit ihrem Sohn mit uns unterwegs, die kein Ticket hatten und versucht haben sich da raus zu reden, da war richtig Alarm. Oder, dass wir euch hier an der Glühweinbude treffen. Zuletzt waren wir bei Duisburg, als der MSV in Saarbrücken gespielt hat, 5 Stunden im Zug und am Ende hast du so viele Anekdoten zu erzählen.
Yoshi: Eine Story können wir euch erzählen, die ist nämlich ziemlich verrückt. Nachdem man uns in Saarbrücken vorher noch mit ner’ ganzen Hundertschaft zum Stadion eskortiert hat…im Kessel…eigentlich völlig übertrieben, da waren keine Ultras, alles nur ganz normale Fans.
Jedenfalls stehen wir nach dem Spiel wieder in Saarbrücken am Bahnhof, ein Typ neben uns am Gleis trug einen Schal - der wurde glaube ich von Kohorte verkauft, auf jeden Fall so ein Szene-Seidenschal - da kam dann eine Gruppe von Saarbrückern und will ihm den Schal abziehen. Großes Gerangel mit allem Pipapo, dann kam die Hundertschaft angerannt und die Saarbrücker sind alle abgehauen. Der Typ mit dem Schal stand da und hat an der Hand geblutet und ich fragte: „Hey, was ist denn passiert?“.
Er wurde gebissen. Da sind keine Fäuste geflogen, der wurd einfach gebissen…von einem Menschen.
Roman: Ja, ein Typ hat dem Wohl richtig am Schal gezogen und plötzlich kam dessen Frau dazu, hat ihre Salitosbüchse über ihn geschüttet (auch absurd…wieso säuft man Salitos) und hat dem Kerl in die Hand gebissen, weil er seinen Schal nicht loslassen wollte.
Yoshi: Wir sind dann mit ihm und seinen Kumpels noch die ganze Strecke zurückgefahren. So lernt man auch Leute beim Hoppen kennen.
Roman: Wir sind mal nach London geflogen weil wir den Länderpunkt mitnehmen wollten - wir sind grad noch ziemlich am Anfang mit Groundhoppeln, da ist der Länderpunkt England noch neu - und dann hast du da in England erstmal diese ganze Touri-Scheiße, vorm Big Ben und so…..hunderte Menschen. Wir sind glaub ich zum schlechtesten Ground gefahren den man nur finden kann. 3 Stunden irgendwo nach Dartford…mit dem Bus, um einfach irgendwas mitzunehmen und hatten uns 10 Pfund Bargeld gezogen, man kann schließlich sonst alles mit Karte zahlen. Also kommen wir dort an, zu einem U21 Spiel: Hull City gegen Charlton Athletic. Und dachten noch „Scheiße, was wenn die jetzt nur Bargeld für den Eintritt nehmen?“
Yoshi: Das war natürlich auch so. 3 Stunden dahin gefahren, keine Möglichkeit noch Bargeld zu holen.
Roman: Und dann kommen wir am Stadion an, das Tor auf und es steht nur ein Typ rum, kaum einer da. Wir fragen was der Eintritt kostet und der Typ antwortet: „Ten Pounds“. Genau das was wir dabei hatten. Was ein Glück!
Yoshi: Wir haben häufiger Glück. Wir hatten den Rückweg aus London gar nicht organisiert, sind irgendwie nach Eindhoven geflogen und konnten dann Abends noch zum Spiel Willem II - Roda Kerkrade. Aber das sind dann eben die Geschichten, die nimmt dir keiner mehr.
Anm.d.Red.:
Die Hopperkasse scheint in manchen Stadien praktiziert zu werden, um die Szenekasse oder die eigene Geldbörse aufzubessern.
Wir hörten zum ersten Mal davon.
Vorweg:
Es sollte jedem/r Hopper/in klar sein, dass man keine Nahaufnahmen von den Szenen schießt oder generell Leute ablichtet, die es nicht wollen.
Ebenso ist sicherlich auch ein Sitzen und/oder Stehen bei oder nahe der Szene, für manche Kurven ein nachvollziehbares No-Go. Gleiches gilt für das wilde Stickern oder grundsätzlich respektloses Verhalten in fremden Gefilden.
Bisher sind wir mit unseren eigenen Regeln immer sehr gut gefahren.
Menschen über eine Drohkulisse Geld aus den Rippen zu leiern, die außer ein schönes Fußballspiel und ein nostalgisches Stadion zu sehen, nichts Böses im Schilde führen, ist gelinde gesagt ein richtig mieses Verhalten.
Wir spenden wirklich immer. Ob Jugend, Choreokasse, Bechersammlung, freiwillige Spende für das kostenlose Info Fanzine.
Das machen wir gerne und werden das auch weiterhin so handhaben. Hierüber haben sich vorallem immer wieder schöne Kontakte mit tollen Menschen ergeben.
Wir hoffen inständig, dass sich dieses Vorgehen nicht durchsetzen wird. Denn aus vielerlei Hinsicht ist solch ein Verhalten tragisch.
Zum einen benötigen die oftmals klammen Vereine so ziemlich jeden Cent um zu überleben, dies wird am Ende des Tages dazu führen, dass Menschen erst gar nicht mehr die Spiele der kleinen Teams besuchen.
Zum anderen sind online Blogs wie unserer unabhängig und dienen der reinen Unterstützung von Menschen die viel zu oft übersehene, jedoch hervorragende Arbeit leisten. Da ist nichts kostendeckend oder gar Gewinn abwerfend. Das ist reines Hobby und die Hoffnung irgendwas zurück geben zu können.
Und zu guter Letzt läuft auf diesem Planeten schon mehr als genug schief. Vielleicht lässt man den Menschen auch einfach ihr oftmals einzig schönes Erlebnis außerhalb des Alltags.
Wir haben in Herne keinerlei schlechte Erfahrungen sammeln müssen. Im Gegenteil, es war ein wunderbarer Tag! Jedoch mehren sich Berichte über „Hopperkassen“ aus diversen anderen Städten. Das lässt uns in Teilen wirklich fassungslos zurück!
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