Samstag, 25. Februar 2023

Nächstes Mal auf Asche - Auf den Zahn gefühlt - Episode 14

Heute: Sandra Drljača


Ein wenig still ist es um unsere Rubrik „Auf den Zahn gefühlt“ geworden.
Umso erfreulicher, dass wir nach zwei Monaten endlich wieder ein Interview fertig haben(weitere Kracher folgen!).
Hardcore-Punk, Fußball, Kunst.
Sandra ist die wandelnde Subkultur und gewährt uns heute einen unheimlich spannenden Einblick in ihr Leben zwischen Fankurve, Reisen und Konzertbesuchen. 
Aber wir möchten gar nicht zu viel verraten und wünschen euch viel Spaß mit unserem zweiten Interview 2023!

NMAA:

Erst mal vielen Dank, dass du dich dazu bereit erklärst, heute das Interview zu führen.

Wir sitzen gerade bei TUSA im Vereinsheim und du selbst hast ebenfalls vor ein paar Jahren für TUSA gespielt. Wie fühlt es sich an, heute bei klirrender Kälte, neben dem Platz an alter Wirkungsstätte zu stehen?


Sandra:

Ich hasse es! Also Winter…nee. Zum Glück wurden wir durch Mo mit Tee versorgt, sonst wären wir vermutlich alle erfroren. Fußball lieber von März bis Oktober.


NMAA:

Also Mo hat dich gerettet. 

Wie lange warst du bei TUSA bzw. wie lange warst du im Damenfußball aktiv?


Sandra:

Bei TUSA ein Jahr und vorher auch ca.ein Jahr beim SC Unterbach. Dann bin ich auf Kampfsport umgestiegen. Ich war und bin, eigentlich immer sportlich irgendwie aktiv. Aber Kampfsport war dann doch eher mein Ding. 12 Jahre Judo und 16 Jahre Taekwondo.


NMAA:

Du hast aber noch andere Hobbys. Unter anderem das Fotografieren zählt dazu. Hierüber haben wir uns auch vor vielen Jahren kennengelernt, als du Fotos für die und von der Düsseldorfer Fankurve, geschossen hast. Zusätzlich präsentierst du häufig sehr puristische Bilder aus Alltagssituationen…


Sandra:

Eine Fankurve ist unheimlich energiegeladen. Die Menschen lassen ihren Emotionen freien Lauf. Das auf Bildern festzuhalten, den Moment der Konzentration oder des Mitfieberns. Da steckt so viel Energie drin. Ein Torjubel zum Beispiel, der setzt alles frei. Sowas fesselt mich einfach. Ähnlich verhält es sich beispielsweise bei Hardcore-Punk Konzerten. Da steckt so unglaublich viel Kraft im gesamten Konzertsaal. Menschen schütteln ihren Alltag regelrecht von sich.

"Ein Torjubel zum Beispiel, der setzt alles frei. Sowas fesselt mich einfach."

Die Alltagsfotos, die auch bei Instagram zu finden sind, sind ein visuelles Tagebuch. Ich kann nicht immer mit Worten ausdrücken, was mir bei der Betrachtung von Szenerien durch den Kopf geht. Ein Bild kann beschreiben was ich denke. Beschreibt die Eindrücke, die ich habe. Mein Kopf funktioniert minimalistisch, bilde ich mir ein und so werden dann auch die Bilder. Ohne viel Drumherum. Direkt und klar. So versuche ich mich zu sehen und so spiegelt es sich in den Bildern.

„Ein Bild kann beschreiben was ich denke. Beschreibt die Eindrücke, die ich habe.“

Ich hatte in der Oberstufe das Fotografieren in Kunst. Mir war sofort klar: Das will ich machen. Das inspiriert mich! Leider kann man davon selten leben, also bin ich gezwungen einer herkömmlichen Arbeit nachzugehen.


NMAA:

Bist du durch die Liebe zum Fußball oder durch die Liebe zur Musik, zum Fotografieren gekommen?


Sandra:

Ich hab begonnen bei Konzerten. Überwiegend HC Konzerten, Fotos zu schießen und dann ging es weiter zum Fußball.


NMAA:

Du hast den Bogen zum Punk schon selber geschlagen. Wie wurdest du hier sozialisiert? Gerade der Anschluss in die Punkszene entsteht ja meist durch einen äußeren Trigger.


Sandra:

Ich war immer irgendwie Außenseiterin. Irgendwie wollte ich auch zum „normalen“ nicht dazu gehören. Oberflächlicher Mist war nicht meins. Saufen war nicht meins. Drogen auch nicht. Die Klamotten, die alle früher trugen ebenfalls nicht. 

„Ich trug weite Pullover. Eine Baggy. Das passte im Alltag nicht ins Bild von einem Mädchen. In der Szene, in der ich mich dann bewegte war das aber überhaupt nicht wichtig.“

Das macht es nicht einfach als junger Mensch dazugehören zu können. In der Punk oder Hardcore-Punk Szene war das egal. Ich gehörte dazu. Ich trug weite Pullover. Eine Baggy. Das passte im Alltag nicht ins Bild von einem Mädchen. In der Szene, in der ich mich dann bewegte war das aber überhaupt nicht wichtig. Uns einte die Musik und nicht das Aussehen. Natürlich hab ich darin auch sozusagen ein „Label“ für mich gefunden. Aber am wichtigsten war mir: Ich gehörte dazu!

Mir sagte schon immer eher die rauhe Musik zu. Vom Sound her natürlich. Inhaltlich transportiert der Hardcore, den ich höre, viel sozialkritisches. Außerdem waren die Musik und die Konzerte ein gutes Ventil. Man konnte und kann unheimlich viel „raus lassen“.


NMAA:

Ich finde total super was du sagst. Dieses dazu gehören. Das ist ja das wofür Hardcore oder die Szene steht oder stehen sollte. „If the Kids are united!“ quasi.


Sandra:

Dieses 08/15 Zeit verbringen. Das war auch einfach nie meins. Ich hab mich durch die Szene gefunden. Eine gute Zeit gehabt. Da war ein „wir“ Gefühl. Ganz gleich ob du in Belgien, Niederlande, Deutschland oder sonstwo warst. Die Menschen gehörten zusammen. Das hab ich gefühlt!


NMAA:

Ich hab gerade in den Beneluxstaaten, Hardcore als deutlich rauher empfunden. Auf den Konzerten wo ich war wurde deutlich heftiger „getanzt“ und es kam zu einigen Blessuren.


Sandra:

Da muss ich dir Widersprechen. Ich hab das nie so empfunden. Ich hab mich wirklich immer sicher und gut bei allen Konzerten gefühlt. Das hab ich auch nie so wahrgenommen. Klar ging es da im Pit ordentlich zur Sache, aber das ist ja eben nunmal auch die Musik die sowas bedingt. Unwohl habe ich mich wirklich nie gefühlt.


NMAA:

Kannst du sagen, welches die beste Show war, die du jemals gesehen hast?


Sandra:

So ziemlich jede H2O Show war großartig. Ich kann mich nicht an ein schlechtes Konzert erinnern. Vorallem die um '99/2000. Da war so viel positive Energie drin! Leider hab ich Gorilla Biscuits bisher immer verpasst, dafür hab ich das Sideprojekt CIV gesehen. Das war auch der Knaller. Bane würde ich noch nennen, die waren auch immer bombastisch! Und - das gehört nicht zum Hardcore - Bad Religion. Eine meiner Lieblingsbands!


NMAA:

Wo wir gerade beim Hardcore sind. Du warst des öfteren bereits in den Staaten. Deswegen meine Frage:

New York, Boston oder Orange County?


Sandra:

New York! Allein wegen Gorilla Biscuits. 

Und ich könnte kotzen, dass ich sie nie live gesehen habe. Das ist einer meiner großen Wünsche: Gorilla Biscuits nochmal live sehen!


NMAA:

Gorilla Biscuits als Straight-Edge Band.

Wir haben heute Abend schon 2-3 Bierchen getrunken. War Straight Edge für dich nie eine Option?


Sandra:

Das hab ich 11 Jahre lang auch so gelebt! Ich hatte einfach keinen Bock diesen „Saufweg“ zu gehen. Mein Beweggrund war damals auch dieses „Ich brauche keinen Alkohol oder Drogen um Spaß zu haben“. Das Ganze brachte auch ein gewisses „über den Dingen stehen“ mit sich. Ich hab zu diesem Zeitpunkt auf andere regelrecht herab gesehen. 

Dazu muss ich aber nochmal sagen, dass ich Einzelgängerin war und mir so Selbstbewusstsein geschenkt habe. Eben durch den Verzicht.

“Sei dir den Konsequenzen durch deinen Konsum bewusst.“

Aufgehört hab ich mit Mitte/Ende 20, nach der Trennung von meinem damaligen Freund. Ich wollte etwas ändern. Wollte damit vielleicht einen Abschluss zu der Beziehung finden. Das hat aber schnell wieder aufgehört, da ich einen Kater haben, wirklich ätzend finde. Ich würde auch heute nicht konkret sagen können: „Ich war straight Edge, mach das bloß nicht!“ oder „Ich war straight edge, mach das definitiv!“.

Das einzige was ich sagen kann ist: Sei dir den Konsequenzen durch deinen Konsum bewusst. Egal ob Alkohol oder andere Drogen. Das macht etwas mit dir und das ist nicht immer positiv! Überhaupt dieses verteufeln von allem anderen Kram, während Alkoholkonsum scheinbar das normalste der Welt ist, erschließt sich mir nicht so richtig…“


NMAA:

Teilweise vertritt Hardcore schon „fundamentalistische“ Ansichten. Damit will ich nicht sagen, dass sich selbst treu bleiben oder auf exzessives Leben verzichten, per se etwas schlechtes ist. Bei dir trifft allerdings linker Freigeist, auf klare Formulierungen wie man zu leben hat.


Sandra:

Einer der Gründe wieso ich aus der Szene weg bin. Wie ich - als „Freak“ - war man da erstmal gut aufgehoben. Aber es stimmt schon…gerade in der Szene bist du auf wirklich seltsames Publikum getroffen. Weiße, frauenfeindliche CIS Männer…wir reden hier natürlich von Ende der 90er. Homophobie war auch immer ein Thema. Vieles war „schwul“. Mit diskriminierenden Schimpfwörtern warf man da um sich. Antifaschismus wurde häufig belächelt und als schwach interpretiert. Wirklich…auch in der HC Szene trifft man genug Bauern.

Linker Freigeist…naja das was ich im Fußball-Kosmos erlebe, da kleidet man sich lieber mit den Worten. Ob das immer so umgesetzt wird…versteh‘ mich nicht falsch. 

“Homophobie war auch immer ein Thema. Vieles war „schwul“. Mit diskriminierenden Schimpfwörtern warf man da um sich.“

Es gibt durchaus Menschen die an einer Veränderung arbeiten und vielleicht wird das ja auch nochmal was. Ansonsten bevorzuge ich natürlich, persönlich immer den inneren linken Freigeist und nicht irgendwas reaktionäres. 


NMAA:

Deine Familie kommt aus Serbien. Wie steht es da um die Punkszene? 


Sandra:

Die gibt es dort. Ich habe aber wirklich gar keinen Überblick was das betrifft. Mir haben aber genug Leute berichtet, dass da getourt wird und es nicht nur große Bands sind, die auftreten. Allerdings war ich das letzte Mal 1990 da, dann brach der Krieg aus und wir konnten nicht mehr nach Serbien. Als ich 2007 also 17 Jahre später nach Belgrad kam, hatte ich mich schon weitestgehend von der HC-Szene gelöst. Ich weiß, dass ich mal bei Bane in Münster war. Der Sänger der Vorband kam aus Belgrad, mit ihm hab ich mich recht lange unterhalten. Also scheint da schon was zu existieren. 


NMAA:

Belgrad ist nicht zuletzt auch sehr bekannt für Fußball. Du selbst fährst heute zu Fortuna Düsseldorf. Wie schaut es mit deiner Liebe zum serbischen Fußball aus?


Sandra:

Wenn, dann Roter Stern Belgrad. Fanszene und Serbien halte ich allerdings für recht schwierig. Mir ist bis heute nicht zu Ohren gekommen, dass es eine alternative Fanszene gibt. Die Politik um den Verein ist nicht meins, die Fanszene ist nicht meins. Man muss bedenken, dass Söldnertruppen aus den Fankurven rekrutiert wurden und diese dann auch in den Krieg gezogen sind. Die Hools sind meiner Meinung nach, bei Belgrad bis heute ein langer Arm der Regierung. 

“Man muss bedenken, dass Söldnertruppen aus den Fankurven rekrutiert wurden und diese dann auch in den Krieg gezogen sind“

Im November war ich in Belgrad und der sich dort ausbreitende Nationalismus ist wirklich beängstigend! Das kumuliert alles dort im Fußball. Mein Hang zu Roter Stern ist eher einer Kindheits-Nostalgie geschuldet. Mein Vater wollte mir in den 90ern eine Freude machen und hat mir einen Schlüsselanhänger mitgebracht…auf diesem war der Totenkopf der Deutschen SS abgebildet. Die Freude war also meinerseits schnell verflogen. Deswegen würde ich mich auch nie als Fan bezeichnen. Das was die Fans da repräsentieren, steht gegen alles was ich persönlich repräsentiere! Dennoch. Ich komme nunmal aus diesem Land und wenn es ein Verein ist, dann Roter Stern Belgrad. Der Heimat wegen, niemals wegen der Fanszene.


NMAA:

Und wie kam es zu deiner Verbundenheit zu Fortuna Düsseldorf?


Sandra:

Ich bin über Freunde zur Fortuna gekommen. Mein Vater hat schlechte Erfahrungen in Belgrad bei Stadionbesuchen gemacht. Seiner Ansicht nach schlugen sich in allen Stadien überall die Menschen die Köpfe ein…was ja vor Jahrzehnten auch häufiger zutreffend war. „Die schlagen sich da mit Fahrradketten“, sagte er mir damals. Also wollte er nicht ins Stadion. Angefangen hat das alles als Kind. Da hab ich Panini-Alben gesammelt wie verrückt. Irgendwann fragte mich mein Vater, welcher mein Lieblingsverein ist und ich antwortete „Bayern München…da kenne ich alle Spieler“. Mein Vater entgegnete mir damit, dass Düsseldorf auch einen Verein hat. Fortuna Düsseldorf. Ich war 9 Jahre alt und total fasziniert von dem tollen Namen „Fortuna“. Ab da war Bayern München abgeschrieben. Zeitsprung: Wir haben 1998 und ein Freund will ins Stadion und ich begleitete ihn. DFB Pokal gegen 1860 München. Das war mein erstes Spiel. Ab da bin ich unregelmäßig zum Fußball gegangen. 

“Ich war 9 Jahre alt und total fasziniert von dem tollen Namen „Fortuna“…“

So richtig erst wieder nach dem Aufstieg in die Regionalliga. Auch durch die gleichen Freunde. Beruhigend war: Es war genauso schlecht wie früher. Fortuna spielt gegen Leverkusen II und kassiert in der 83.Minute den Gegentreffer. 5000 Leute in diesem riesen Stadion. Das war trist und ernüchternd…ich fand es stark und bin ab da hängen geblieben.


NMAA:

Wie hast du dann zur aktiven Fanszene gefunden?


Sandra:

Ich bin eben immer mehr gefahren und war fasziniert von der aktiven Fanszene. Das hat sich einfach nach und nach ergeben und zu meinen Bildern von HC -Shows hab ich dann begonnen Fußball-Fotos zu schießen. Die ersten Bilder von mir, wurden 2010 zum Duisburg Spiel benutzt. Zusätzlich hatten Freunde von mir die „Metalheads“ gegründet. Man rutschte damals eben so rein. Das war nicht mit einem riesigen Aufnahmeritual verbunden.


NMAA:

Bist du heute noch innerhalb der Fanszene aktiv?


Sandra:

Aktiv nicht mehr. Ich gehöre keiner Gruppe mehr an. Fotos sporadisch? Ja! Regelmäßig Heimspiele besuchen? Ja! Auswärts nehme ich mir mittlerweile raus, dahin zu fahren wo ich hin will. Um ehrlich zu sein, lege ich gerade meine Aktivitäten ad acta und ich glaube auch nicht, dass ich nochmal zu alter Form zurück finden werde. Mir gefallen an diesem „aktiven Fan-Dasein“ auch Dinge nicht, Sachen, die ich aus meinem persönlichen Standpunkt, nicht mehr vertreten möchte. Fortuna ist und bleibt mein Lieblingsverein. So sehr dieses Fanszene über wunderschöne Seiten verfügt, so sehr verfügt sie ebenfalls über ziemliche Schattenseiten. 

“Mir gefallen an diesem „aktiven Fan-Dasein“ auch Dinge nicht. Sachen, die ich aus meinem persönlichen Standpunkt nicht mehr vertreten möchte.“

Mit etwas Abstand dazu, erkennt man das dann erst nach dem Rückzug. Dieses ganze Szene-Ding ist ja wirklich eine eigene Welt und ich möchte mir nicht zu meiner Lohnarbeit - die mich ohnehin schon genug Kraft kostet - meine letzten Reserven durch derartige Verpflichtungen rauben lassen.


NMAA:

WM in Katar, Kommerz, Millionen - Fußball weit entfernt von jeder Basis! Wie denkst du darüber?


Sandra:

Eine Fußball-WM erinnert mich mittlerweile mehr an ein Weltwirtschaftsforum. Nur eben nicht in einem schicken Ort irgendwo auf der Welt, sondern im Stadion. Da spielen dann zu diesem Event, nebenbei ein paar Mannschaften gegeneinander und am Ende gibt es einen Weltmeister gratis dazu. 

“Eine Fußball-WM erinnert mich mittlerweile mehr an ein Weltwirtschaftsforum.“

Als Kind war meine Begeisterung für solche Turniere riesig. Ich hab vorm TV gesessen und minutiös die Ergebnisse festgehalten. Je älter ich wurde, umso mehr hat die Begeisterung nachgelassen. Heute betrachte ich es als abstruses Produkt. Ich finde den Hype darum äußerst anstrengend. Insbesondere diesen Nationalismus, der mit der Veranstaltung einhergeht, empfinde ich als anstrengend. Diesen wirtschaftlichen Faktor den eine WM mittlerweile erfüllt, finde ich mehr als bedenklich. Das geht aber weiter. Kein Spieler ist 100 Millionen € wert, es werden aus Menschen Marken geschaffen und diese Marke wird möglichst gewinnbringend verkauft. Das ist soweit weg von dem Fußball den ich mag.


NMAA:

Ist es denn nicht egal ob Bundesliga oder Weltmeisterschaft?


Sandra:

Natürlich ist das im Profifußball genauso. Auch ein Grund, der mich immer mehr vom jetzigen Fußball wegtreibt. Auch da geht es rein ums wirtschaftliche. Das hat reinen Event-Charakter, wo einfach eine Menge Geld umgesetzt wird. 

“Fußballer sind Marken, die verkauft werden. Die sind so bedeutend, dass für sie sogar andere Gesetze gelten.“

Dazu schöne bunte Rahmenbedingungen und alle müssen sich an die vorgegebene Etikette halten, damit es ein attraktives Bild gibt, welches sich besser verkaufen lässt. Ich wiederhole mich: Fußballer sind Marken, die verkauft werden. Die sind so bedeutend, dass für sie sogar andere Gesetze gelten. Da wird sexualisierter Gewalt z.B. nicht nachgegangen, das ist doch irre! Dann die zusätzliche Schauspielerei auf den Plätzen. Ich kann Fußball mittlerweile schlecht im TV anschauen, da schlaf ich bei ein. Stadien verlieren ihre Individualität und entwickeln sich zu Kaufhäusern in denen ein Rasen liegt.


NMAA:

Steckt in der Tragödie der Kommerzialisierung evtl. eine Chance für den Amateur- oder Damenfußball? Die Einschaltquoten zur Damen EM waren außerordentlich gut.


Sandra:

Auf jeden Fall. Meine Tendenz geht in solch eine Richtung. Wobei Frauenfußball…klingt immer so, als sei das eine andere Sportart. Es ist Fußball und halt ein Frauenteam. Aber egal ob Frauenteams oder Herrenteams, die Chancen sind groß glaube ich. Das hat alles noch nicht diesen überzogenen Event-Charakter. Die EM fand ich beispielsweise bis auf wenige Ausnahmen, richtig gut. Das hat nichts mehr mit den ganzen gängigen Vorurteilen gemeinsam. 


NMAA:

Wie sieht der Fußball in 10 Jahren aus?


Sandra:

Im Wunschdenken wird alles Diverser, bunter, inklusiver, gewaltfreier. Kein wirtschaftlicher Faktor sondern ein Volkssport! Da ich aber sehr pessimistisch bin was das betrifft, prognostiziere ich, dass alles so weitergeht wie bisher. Der Kuchen ist noch zu groß und nicht alle haben bisher ihr - für sich - angemessenes Stück abbekommen, also wird es immer absurder. 

RB Leipzig wird auf kurz oder lang Bayern München ablösen, dann wird 50+1 fallen und Investoren in die Vereine geholt, die dann über alles bestimmen. Ich bin mir auch sicher, dass es zu weiteren Spieltagszerstückelungen kommt. 

“…dann wird 50+1 fallen und Investoren in die Vereine geholt, die dann über alles bestimmen“

Vielleicht werden Pokalfinale in Zukunft in anderen Ländern ausgetragen. Wer weiß das schon. Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. Ich sehe es ziemlich düster.


NMMA:

Wir kommen so langsam zum Ende liebe Sandra.

Vielen Dank für dein ausführliches Interview und die Zeit, die du uns geschenkt hast. Die letzten Sätze gehören dir. Gerne nehmen wir noch deinen Musiktip entgegen.


Sandra:

Mein aktueller Musiktip? 

Ich hab Fleetwood Mac wieder für mich entdeckt. "Go your own way" belegt auf meiner Spotify Liste den ersten Platz. Ansonsten möchte ich alle Mädels, die sich dem HC widmen wollen darin gerne bestärken. Lasst euch nicht von irgendwelchen Milchbrötchen Mackern davon abhalten! Das gilt selbstverständlich gleichermaßen für alle anderen ebenfalls. Macht euer Ding!

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