Zwischen Trümmern und Wiederaufbau spielt im Jahr 1948 der VfB Hilden ein wegweisendes - wenn auch unnötiges - Entscheidungsspiel im Wedaustadion Duisburg. Alles war angerichtet für eine vielleicht große Zukunft des Vereins aus dem Kreis Mettmann. Tja, wäre da nicht der eine RWE Anhänger gewesen, welcher die Partie zwischen RWE und dem VfB gepfiffen hat…viel Spaß mit Ulli Münsterberg‘s zweitem Teil von:
Was wäre eigentlich „wenn … “ gewesen?
Folge 2 (2 von 4)
WEDAUSTADION, DUISBURG
Die nun ablaufende Spielzeit 2022-23 der Fußball-Oberliga Niederrhein dürfte ohne Frage zu den erfolgreichsten Spielzeiten in der langen Geschichte des VfB Hilden 03 gehören.
Die erste Mannschaft, das steht jetzt schon fest, wird in der Abschlusstabelle der Saison 2022-2023 zu den absoluten Top Teams der immerhin vierthöchsten deutschen Fußball-Liga gehören, die Reserve ist eine echte Hausnummer in der unterhalb der Oberliga angesiedelten Landesliga und die A-Junioren des Vereins haben sich nach einem Jahr in der höchsten deutschen Spielklasse, der Bundesliga trotz des feststehenden Abstiegs eine feine Visitenkarte der Itterstädter hinterlassen.
Und auch wenn es heute eine Menge rund um den Verein zu bejubeln gibt, so stelle ich mir nicht erst seit gestern die Frage, wie es eigentlich aussehen würde, wenn das eine oder andere entscheidende Spiel in der Vergangenheit des Vereins dem Klub eine andere Wendung gegeben hätte. Oder die allgemeinen Lebensumstände damals andere gewesen wären ?
WEDAUSTADION DUISBURG, 9. Mai 1948
Womit wir wieder bei „Was wäre eigentlich wenn gewesen „ wären.
Gemeint war mit dieser Frage an den Fußballstammtischen der einst zahlreichen Kneipen und Gaststätten auch hier in Hilden sinngemäß immer, was wäre eigentlich gewesen, wenn wir dieses (eine) Spiel gewonnen hätten.
Bei der Partie, um die es hier geht stellt sich diese Frage im Grunde nicht. Denn sie hätte anders lauten müssen, nämlich – was wäre gewesen, wenn dieses (Entscheidungs-) Spiel erst gar NICHT stattgefunden hätte.
Blicken wir also zurück, Anfang Mai – 1948.
Die Welt erholt sich zögerlich von den Folgen dieses fürchterlichen 2. Weltkrieges. Es wird gebaut und malocht. (Wieder-) aufgebaut – eigentlich unfassbar mit welcher Kraft die Menschen damals aus diesem Trümmerfeld wieder eine lebens - und liebenswerte Zivilisation erschaffen werden.
Auch Fußball wird wieder gespielt. Der VfB Hilden lebt noch. Oder besser -lebt wieder. In der VfB – Vereinschronik wird diese schwierige Zeit recht ausführlich beschrieben.
1947 wird die später legendäre Oberliga – West, unser regionaler Vorläufer der Bundesliga eingeführt und der VfB Hilden spielt in der Bezirksliga Gruppe 2 u.a. mit ROT-WEISS ESSEN, UNION KREFELD, STERKRADE 06/07, FV DUISBURG 08, RHEYDTER SV, SSV BARMEN um den Aufstieg in eben jene erstklassige Oberliga.
Es erhellt also, dass die damalige „Bezirksliga“ mit den heutigen Bezirksklassen nichts zu tun hatte, sondern in der Struktur ungleich höher angesiedelt war.
Es geht also dort um etwas.
An der Hildener Hoffeldstraße sehen wieder im Schnitt 5000 – 6000 Zuschauer die packenden Begegnungen des VfB Hilden und die Schwarz-Weißen werden zu den fälligen Auswärtsspielen stets mit großem Anhang begleitet.
Die Vereinschroniken des VfB berichten z.B. dass das Auswärtsspiel des VfB Hilden bei UNION KREFELD vor über 20.000 Zuschauern ausgetragen wird und mit von der Partie sind über 4.000 Hildener. Das alles zu einer Zeit, wo du nicht mal eben flott mit Bus und Bahn „rübber nach Krefeld“ gejöckt bist,geschweige denn, du dich mal eben ins Auto geschwungen hattest.
Auswärstsspiele waren damals für alle Beteiligten kleine Weltreisen.
In der laufenden Saison 47-48 liegen von Beginn an der VfB gemeinsam mit RWE an der Spitze und im direkten Duell mit den ROT-WEISSEN von der Essener Hafenstraße hat Schwarz-Weiß die Nase vorn.
Auswärts, im Essener Stadion an der Hafenstrasse holt der VfB beim 1-1 einen Punkt aber in Hilden werden die Essener dermaßen verdroschen, dass den Mannen um Essens Sturmführer Gottschalk hören und sehen vergeht.
Dabei hatte Essen bei Halbzeit am Hildener Hoffeld mit 3-0 in Front gelegen, ehe der VfB die Gäste mit 7 Toren förmlich aus dem Stadion ballert. 7-3 heißt es am Ende und der VfB beendet die Saison 1947-48 auf dem Platz an der Sonne. Zwar punktgleich mit RWE, weisen beide Teams jeweils 32-8 Punkte auf, allerdings hat der VfB mit 73-27 das deutlich bessere Torverhältnis vor RWE (67-27).
Was also wäre gewesen wenn … der Fußballverband das auch so gesehen hätte. Zwar steht der VfB auf Rang 1 vor RWE, das deutlich bessere Torverhältnis zählt aber nicht. Auch nicht der direkte Vergleich.
Und so kommt es zu diesem völlig überflüssigen Entscheidungsspiel zwischen beiden Mannschaften im Duisburger Wedaustadion.
35.000 Zuschauer sind dabei, darunter auch Bundestrainer Sepp Herberger, der sich besonders für den Essener Sturmführer Gottschalk interessiert.
Der VfB an diesem Tag in folgender Besetzung : Stuckenbrock – Franken, v.d. Kreis - Tang, Ohla, Geissler - Dörnenburg, Schönewolf, Trennhaus, Slota, A. Lettrich.
Mit dabei also noch 5 Spieler von der 39iger Siegertruppe vom Bökelberg, nämlich Franken, Dörnenburg, Andy Lettrich, Tang und Slota.
Ebenso mit dabei ein Herr namens Ronken aus dem niederheinischen Schiefbahn. Jener Ronken soll an diesem Tag den Unparteiischen geben. Ums gleich vorweg zu nehmen, dieses Unterfangen mißlingt. Ronken ist nämlich keineswegs unparteiisch, sondern outet sich unübersehbar als großer Anhänger von Rot-Weiß.
Gleich zu Anfang gibt es 2 Freistöße für RWE und ehe sich die Hildener Mauer formieren kann, wird der Ball von den Essenern fix vorverlegt, der Ball jeweils von Ronken im Handumdrehen freigegeben und landet gleich zweimal am verduzten Hildener Torhüter Stuckenbrock vorbei im Netz.
Nach nur 14 Minuten führt der RWE mit Zwei Null.
Der VfB tut sich schwer, nimmt das Heft aber in die Hand. Die neutrale Presse berichtet anschließend, dass der Schiri dem VfB einen Stein nach dem anderen in den Weg legt. Vielversprechende Angriffszüge werden unbegründet abgepfiffen. Fouls der Essener Spieler großzügig übersehen und gleich zweimal haben 35.000 Zuschauer im Stadion einen Elfmeter für den VfB Hilden gesehen. Zurecht, wie die neutrale Presse im Nachgang konstatiert.
Alle haben es gesehen. Nur der Ronken nicht.
Bei beiden Situationen hat Ronken woanders hingeschaut. Wahrscheinlich zählt er grade die Kartoffeln, die ihm ein Freund des RWE vor dem Keller abgeladen hat oder überlegt sich, wie ihm seine neue und goldene Uhr demnächst wohl steht. So könnte es gewesen sein. Oder so in der Art.
Fakt ist, Ronken pfeift dem VfB das Spiel kaputt.
Der VfB kommt bei dieser einseitigen Spielleitung im Pott nicht zu Potte und der Anschlusstreffer zum 1-2 erzielt durch Ohla kommt zu spät. Der Meistertitel geht an RWE und es ist nur ein schwacher Trost, dass der Darstellung des VfB bezüglich der einseitigen und unfairen Schiedsrichterleistung von allen neutralen Stellen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen zu dieser Begegnung äußern, Recht gegeben wird. Auf allen Ebenen.
Das sieht sogar der Fußballverband so und der „Sportskamerad“ Ronken aus Schiefbahn wird nie wieder ein Spiel (ver-) pfeifen.
Der daraufhin vorgelegte Einspruch der Hildener wird dennoch abgewiesen und so gelingt dem RWE in der darauf folgenden Qualifikation der Aufstieg in die Oberliga-West, wo man sich dann mit Fortuna Düsseldorf, Schalke 04, Borussia Dortmund und anderen westdeutschem Fußballadel die Klinge kreuzen wird. Mehr noch, RWE wird 52 und 55 westdeutscher Meister, 1955 deutscher Fußballmeister und 1953 deutscher Pokalmeister.
Den Essener Sturm führt der spätere Weltmeister Helmut Rahn gemeinsam mit dem Essener Sturmtank August Gottschalk an. Jener Gottschalk, wegen dem Bundestrainer Sepp Herberger just an diesem 9. Mai im Duisburger Stadion aufkreuzte, jener Gottschalk, der in 3 Spielen gegen RWE gleich drei mal an der Kette von Hildens Abwehr lag und da zwischen nix bis gar nix zu bestellen hatte.
Trotzdem bleibt festzuhalten, dass der VfB Hilden sowohl als bei direkter Meisterschaft in der Bezirksliga sich, ebenso wie im Falle des gewonnenen Entscheidungsspieles , noch durch eine weitere Qualifikationsrunde hätte durchboxen müssen und so schreibt die Vereinschronik zum Hundertjährigen des Vereins in 2003 auch richtig : hätte und wenn und aber, es sollte nicht sein und wir sollten froh sein, dass es in der Geschichte des Vereins Spiele gab, über die man auch Jahrzehnte später noch reden kann.
Viel sportlicher kann man es auf Seiten der Hildener nun wirklich nicht nehmen. Vorbildlich.
Trotzdem wird der Verein im höherklassigen Amateurfußball noch durch weitere denkwürde Spielzeiten und Spiele steuern, über die man trefflich wieder nachfragen könnte - Was wäre eigentlich „wenn … “ gewesen ?
Mehr dazu in Folge 3, die wir unter dem Titel Landesliga Niederrhein noch einmal aufleben lassen wollen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen