Heute: Andreas „Steini“ Steinhauer
Der heutige Interviewpartner ist ein Methusalem der Punkrock-Szene. In Düsseldorf verwurzelt und prägende Figur des damaligen alternativen Merchandisings bei Fortuna Düsseldorf. Außerdem wirft Steini gemeinsam mit seiner Frau Hannah die Läden „Steinis T-Bar“ und „Steini03“ in Düsseldorf- Gerresheim. Viel mehr Gründe (abgesehen von großer gegenseitiger Sympathie) brauchte es eigentlich auch nicht, damit Steini sich von mir mit Fragen löchern ließe. Here it is!:
NMAA:
Moin liebster Steini! Erstmal herzlichen Dank, dass du dir Zeit nimmst für „Nächstes Mal auf Asche - auf den Zahn gefühlt“ ein paar Fragen zu beantworten. Du selbst bist ja mit deinem Klamotten Label „Steini03“ und eurem Laden „Steinis T-Bar“ aus Düsseldorf, gefühlt kaum noch wegzudenken. In der gesamten Lockdown-freien Zeit fiel in meinem Kreis immer wieder der Satz:“Jemand Bock ans Glas zu gehen? Ich tingel jetzt zum Steinis!“
Das kennt man eigentlich in der Form nur noch von den Pitcher- und Engelchen-Gänger:innen.
Dazu scheinst du so ziemlich jede Band zu kennen, die in der Punkszene gerade angesagt ist.
Aber genug meiner Mutmaßungen, erzähl uns doch selbst ein wenig von dir!
Steini:
Moin lieber Niko, erstmal vielen Dank für die Interviewanfrage, über die ich mich sehr gefreut habe.
Du hast ja alles schon perfekt umschrieben.
Seit 2008 betreibe ich jetzt schon mein Fortuna & Düsseldorf Streetwear Label. Anfangs nur über meinen Onlineshop und seit vier Jahren zusätzlich mit meinem Laden in Gerresheim. Angefangen hat alles über einige Kooperationen mit Fortuna Düsseldorf und ein paar Shirt-Designs für die Toten Hosen.
Ich bin sehr glücklich, nun schon seit ein paar Jahren zusätzlich ein Teil von "Kein Bock auf Nazis" zu sein. Mit ganzem Herzen betreibe ich so wichtige Aufklärungsarbeit und verkaufe deren Merch auch über meinen Laden.
Dann kam vor drei Jahren das Steini's hinzu. Gemeinsam mit meiner Frau Hanna haben wir ein ambitioniertes Konzept - "Punk'n'Rock mit veganer Küche" -umgesetzt.
“Zur Punkszene in unserer Stadt kann ich nur sagen, selten war die Szene so breit aufgestellt und kreativ. Ich liebe diese neue Welle.“
Wir sind selbst absolut begeistert welch eine tolle Szene bei uns ein und aus geht. Wie Du ja selbst auf unserer Stage schon erlebt hast, dürfen wir ja jetzt auch Konzerte und Events veranstalten. Das ist die besondere Prise Salz in der veganen Suppe.
Zur Punkszene in unserer Stadt kann ich nur sagen, selten war die Szene so breit aufgestellt und kreativ. Ich liebe diese neue Welle.
NMAA:
Fangen wir bei Fortuna Düsseldorf an. Wie kam es zu der Kooperation?
Steini:
Ich bin seit Mitte der 1970er Fan und habe mir, soweit es was gab, immer brav Trikots und Shirts am Stand gekauft.
Doch in den Niederungen der vierten und dritten Liga gab es praktisch nichts mehr. Da habe ich angefangen meine eigenen Shirts zu designen. Irgendwann hat mich dann der ehemalige Marketingleiter im Stadion angesprochen, ob ich den Verein mit meinem Shirts beliefern könnte. Das war am Anfang so eine Handschlagvereinbarung. Sehr gerne habe ich einige Kompromisse gemacht, damit Geld in die chronisch leere Vereinskasse fließen konnte.
“Sehr gerne habe ich einige Kompromisse gemacht, damit Geld in die chronisch leere Vereinskasse fließen konnte.“
Das haben die Verantwortlichen nie vergessen und die Zusammenarbeit ist bis heute geprägt von einem sehr gutem Umgang miteinander. So zähle ich zu den vom Verein anerkannten Fanlabels....... sozusagen der linke und alternative Flügel des Merchandising von Fortuna.
NMAA:
Ich erinnere mich, dass Fortuna Düsseldorf eine zeitlang recht offensiv linke Symbolik fürs Merch verwendet hat. Hier wurde beispielsweise häufig der rote Stern benutzt. War das schon zu deiner Zeit?
Steini:
Der rote Stern kam, in aller Bescheidenheit, von meiner Seite in den Verein. Ich selbst war nicht sehr verwundert, weil die damalige aktive Fanszene ja schon sehr links angehaucht war.
Die gute alte Zeit eben.....
NMAA:
Wie du dir denken kannst haben wir diese Entwicklung damals sehr begrüßt.
War dir damals klar, dass du damit maßgeblich das „St.Pauli des Westens“-Image geprägt hast?
Steini:
Die Kombination damals war einfach perfekt für dieses Image. Die Ultras, so manche Spieler und dann das Merch. Natürlich hat es mich sehr gefreut meinen Teil dazu beigetragen zu haben.
NMAA:
Zurück zu dir als Fan! Seit 1970….das ist stark, da war ich noch nicht mal geboren. Welche Spiele sind dir da ganz besonders in Erinnerung geblieben?
Das waren ja die Glanzzeiten der Fortuna, mit der Krönung der Finalteilnahme am Europapokal der Pokalsieger in Basel gegen Barcelona.
Steini:
Da gab es einige...... ganz oben das 7:1 gegen die Bayern. Aber sehr gerne denke ich auch an manche Auswärtsspiele im Rahmen der "über die Dörfer Tour" zurück. Auch die Heimspiele in der Lena-Arena waren absolute Highlights.
“sehr gerne denke ich auch an manche Auswärtsspiele im Rahmen der "über die Dörfer Tour" zurück“
On Top.... da mein Vater ein großer, aber eher passiver Fan war, hat er mir als sein Filius ermöglicht 1978,1979 und 1980 zu dem jeweiligen Pokalfinale fahren zu können .....und mit einem Fanbus nach Basel. Das wird so wohl nicht wieder kommen. Die goldene Generation.
NMAA:
Das wäre meine nächste Frage. Basel…da haben wir Jüngeren alle nur von geträumt. Mit so viel Erfahrung im Rücken: Wie bewertest du die Entwicklung der Fanszene.
Früher war ja rechtes Liedgut in den Kurven eine Alltagssituation.
Homophobie und Sexismus sind heute noch „up to Date“. Emanzipieren sich die Kurven für dich weiterhin?
Steini:
In den 1970ern und 1980ern war die Fanszene eine Katastrophe. Ich bin dann auch aus dem Block 36 abgewandert. Als Punk war das nicht gerade einfach damals.....
“Ein "Fick dich DFB" und "Scheiß Red Bull" reicht vorne und hinten nicht.“
Ich kenne einige aus der heutigen Ultraszene und schätze deren politisches, als auch soziales Engagement sehr. Insgesamt werden aber im Stadion selbst, viele wichtige Themen nicht aufgegriffen. Die aktive Fanszene beschäftigt sich, so mein Empfinden, viel zu sehr mit sich selbst.
Um auf Deine Frage direkt zu antworten: nein, leider nicht...... Ein "Fick dich DFB" und "Scheiß Red Bull" reicht vorne und hinten nicht.
NMAA:
Möchtest du das mal konkretisieren „nicht gerade einfach“?
Steini:
Der R36 war ein Rummelplatz für Nazis. Das wurde geduldet und auch von Vereinsseite wurde nichts unternommen.
“Für offensichtlich eher "Linke" gab es gerne mal ein paar Schläge und / oder Fanutensilien wurden abgenommen.“
Der Block wurde sich selbst überlassen und zur damaligen Zeit waren Nazis dort Ton angebend, weil eben keiner gegensteuerte (inkl. der Polizei).
Für offensichtlich eher "Linke" gab es gerne mal ein paar Schläge und / oder Fanutensilien wurden abgenommen.
Ein Spiegelbild der damaligen Gesellschaft.
NMAA:
Irgendwann hat sich das ja zum Glück geändert. Es gelang der Fanszene damals über BAFF oder das Fanprojekt auf die Problematik im Rheinstadion aufmerksam zu machen. Wann kam für dich der Wendepunkt und was hat sich für dich gefühlt oder konkret geändert?
Steini:
Im allgemeinen hat ein Umdenken nach der Gewaltorgie im Rahmen der EM 1984 durch deutsche Fußballnazis eingesetzt. Ich war selber auch damals in Frankreich und war absolut entsetzt über diesen braunen Mob.
“Natürlich gibt es immer noch Gruppierungen die, vorsichtig formuliert, rechte Tendenzen haben. Aber diese sind in der Szene isoliert.“
Bei unserer Fortuna, so mein Gefühl, nahm das mit dem Engagement der Toten Hosen Mitte der 1980er ab, als immer mehr die linke Szene Einzug in unsere Fanlandschaft hielt.
Gefühlt gab es einen Schwenk nach Links und hat sich mittlerweile politisch neutral eingependelt.
Der Verein hat wichtige Eckpunkte gesetzt und damit etwas Ruhe in die Fanszene gebracht. Natürlich gibt es immer noch Gruppierungen die, vorsichtig formuliert, Rechte Tendenzen haben. Aber diese sind in der Szene isoliert.
NMAA:
Was treibt einen Punk, Mitte der 80er denn zur Nationalmannschaft?
Steini:
Es war eine Einladung eines damaligen Freundes..... ich hätte im Nachgang gesehen, dankend ablehnen sollen.
“Der hässliche Deutsche war zurück auf französischem Boden.“
Ich werde es nicht vergessen, wie die Frankfurter "Adler" zusammen mit Fans aus Nürnberg, sich da präsentiert haben. Der hässliche Deutsche, war zurück auf französischem Boden.
NMAA:
Gehen wir zurück ins Hier und Heute. Du sagst die heutige Fanszene hat sich in der politischen Mitte gefunden und ist neutral. Eingangs erwähntest du ebenfalls, dass dir das aktuelle Engagement eigentlich nicht genügt und die Szene sich zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Wie würde die Wunschkurve für dich aussehen?
Steini:
Ich bin ganz ehrlich, ich habe mich in den letzten Jahren immer weiter vom Profifußball abgewandt und war ein paar Jahre nicht mehr in der Arena. Viel lieber bin ich zur Zwoten gefahren.
Doch in den letzten Monaten habe ich wieder mehr Herz für die erste Mannschaft und fahre, wenn ich die Zeit finde, auch wieder nach Stockum.
Ich habe mir die Ultras etwas genauer betrachtet. Für mich ist es offensichtlich, dass hauptsächlich junge deutsche Männer dort das Ruder in der Hand haben. Das ist absolut nicht mehr zeitgemäß. Auch Ultras sollten ein Spiegel der Gesellschaft sein. Das sollte auch ohne Quotenregelung selbstverständlich sein.
NMAA:
Leider ein Phänomen in vielen Fanszenen…fehlende Diversität.
Das war in Düsseldorf nicht immer so. Was meinst du ist der Grund dafür? Das gewalttätige Kräftemessen zwischen den jeweiligen Fanszenen oder weil wir weiterhin Fußball als Männersport betrachten?
Steini:
Leider ja..... da verpennt die Fanszene, die weiterhin Fußball als reinen Männersport sehen, gerade das wichtige Thema Diversität.
Ich fand das Dagmar Starke in unserem Verein mit Ihren Ecken und Kanten, viel Positives bewegt hat.
Die Fanszene verirrt sich immer in die gleiche Richtung. Es geht nur um eigene Belange z.B. Pyrotechnik.
Ich Träume jetzt mal..... wenn es viel mehr Diversität geben würde, könnte man zusammen mit der DFL und 11Freunde ein coming out im großen Stil vorantreiben. Was wäre das für ein Signal: Ultras & Profis outen sich.
Das könnte einen Dominoeffekt in Europa auslösen.
Aber fangen wir mal klein an...... wenn mehr Vielfalt da wäre, könnte es auch mal Fangesänge geben, die nicht nur zum einschlafen behilflich sind.
“Ich Träume jetzt mal..... wenn es viel mehr Diversität geben würde, könnte man zusammen mit der DFL und 11Freunde ein coming out im großen Stil vorantreiben. Was wäre das für ein Signal: Ultras & Profis outen sich.“
Natürlich sehe ich auch Möglichkeiten, dass die aktive Fanszene mit den Vereinen wirkliche und nachhaltige Aktionen Richtung Klimaschutz plant und bespricht.
Wieso bekommen Profis nicht ausschließlich E-Autos gestellt?
Aber vielleicht sind meine Hoffnungen viel zu ambitioniert.
NMAA:
Eine schöne Vorstellung finde ich. Wobei selbst in der Punkrock-Ecke fehlt es zuweilen leider an Diversität. Bestes Beispiel, diverse Festivals mit ausschließlich weißen männlichen Bands. Allerdings hat hier mittlerweile die Diskussion ordentlich Fahrt aufgenommen und es findet vielerorts ein begrüßenswertes Umdenken statt. Du selbst bist ja Methusalem der Punkszene. Geh doch erstmal kurz auf deinen Werdegang ein. Wie kam es zu der Musik und wie zu deinen Kontakten zu den Musiker:innen?
Steini:
Ich selbst fahre jedes Jahr mindestens zu einem mehrtägigen Open Air und finde es wirklich traurig, aber Du hast vollkommen Recht, denn es tut sich was.
Ja, Ich bin jetzt Methusalem….das war natürlich nicht immer so.
Angefangen hat alles mit dem Radiosender BFBS und der John Peel Session.
Jede Woche Musik aus England ....gerne mit Punk dabei.
Mein tatsächliches Eintauchen in die Punkszene kam dann 1980. Ich hatte das große Glück als Austauschschüler nach London zu kommen. Noch größer wurde mein Glück, da die Familie zwei Töchter hatte, die offensichtlich Punkerinnen waren. Die haben mich dann in die entsprechenden Clubs mitgenommen.
Ein Kulturschock der mich sofort gepackt hat.....denn in Deutschland hörte man noch gerne leichte / schlechte Popmusik und trug Kleidung aus den 1970ern. Ganz schrecklich......
“Ich habe mir die Opelgang dreimal auf Vinyl gekauft, weil diese durch das permanente abspielen so abgenudelt waren.“
Mit dieser "Erleuchtung" kam ich dann wieder und entdeckte die Düsseldorfer Punkszene für mich. Klamotten und LP's gab es ja in der Altstadt.
Auf einmal traten dann die Toten Hosen in mein Leben. Ich habe mir die Opelgang dreimal auf Vinyl gekauft, weil diese durch das permanente abspielen so abgenudelt waren. Dann mein erstes Konzert in der Unimensa..... danach war mein Weg bis heute vorgezeichnet. Es gibt ein paar Personen in Düsseldorf, denen ich wirklich dankbar dafür bin mich ständig mit auf diese tolle Reise mitgenommen zu haben. Das sind bis heute ganz tolle Freundschaften.
Der Kontakt zu den Musikern kamen immer zufällig .....planen kann man das nicht.
NMAA:
Welcher Punksong hat dich in London damals als erstes so richtig gepackt? Möchtest du verraten wer dich in Düsseldorf auf die Reise ins Punker Millieu mitgenommen hat?
Steini:
Es war eher nicht so eine gängige Einstiegsdroge...... es war "Going Underground" von The Jam.
Ich nenne mal zwei Personen die immer noch sehr wichtig sind. Sicher Jürgen Krause und Opa.
Für mich persönlich war Ute Wolfram sehr wichtig. Ich kenne Ute schon ewig und als Sie dann im Mirage gearbeitet hat, kam ich immer von den Klamotten an die richtigen Teile und später dann zum Line Light. Wir sind noch heute sehr gute Freunde.
NMAA:
Ein wunderbarer Song.
Beschreib doch bitte was das Mirage und das Line Light waren.
Steini:
Auf jeden Fall. Für mich ist Paul Weller auch heute noch einer der besten Songwriter.
Das Mirage war eine Boutique in der Altstadt, am Anfang der Bolkerstrasse..... über dem Mc Donalds. Dort gab es New Wave Mode direkt aus England importiert. Da ich mich schon früher vorrangig in schwarz gekleidet habe, war es genau meine Anlaufstelle.
“Für mich ist Paul Weller auch heute noch einer der besten Songwriter.“
Das Line Light war in den 80er Jahren ein Club wo nachher Dr. Jazz aufgemacht hat, in dem New Wave gespielt wurde. Viele coole Leute, preiswerte Getränke und legendäre DJ's. Da war immer eine schon fast knisternde Erotik zu spüren..... alle super gestylt und immer ein Hauch von Leder in der Luft.
NMAA:
Pure Erotik😊.
Wir kommen so langsam zum Ende des Interviews. Es war unheimlich interessant und ich werde dir an anderer Stelle wahrscheinlich noch wesentlich mehr Fragen stellen.
Zum Abschluss: Dein aktueller Musiktip.
Die danach folgenden Worte gehören selbstverständlich dir. Teile mir was die Leser:innen wissen müssen. Ich bedanke mich vielmals für diesen interessanten Austausch.
Steini:
Ich fand das Interview sehr spannend und Deine Fragen haben mich schön zum nachdenken gebracht.
Sehr gerne an andere Stelle mehr davon.
Meine aktuelle Liebe geht an The Interrupters. Eine Klasse Ska-Band die ich vor ein paar Wochen live in der Live Music Hall gesehen habe.
So long,
Steini
Ich bedanke mich nochmals herzlich bei Steini für das spannende Interview. Ich muss gestehen, ich hätte noch so 2-300 Fragen, insbesondere zur Punkrock-Geschichte, stellen können. Dafür besuche ich dann aber in Kürze Steinis T-Bar. Ich möchte euch ebenfalls einen Besuch in der T-Bar ans Herz legen. Nette Inhaber:innen, gutes Essen, gutes Bier und faire Preise. Um adrett gekleidet zu sein, ist dann noch stein03.de die richtige Adresse. Stattet Hanna und Steini euren Besuch ab, da seid ihr in allen Belangen gut aufgehoben.
Support your local scene!
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