Donnerstag, 13. Oktober 2022

Nächstes Mal auf Asche - auf den Zahn gefühlt - Episode 7

Heute: Gerald von Gorrisen

Und Tadaaa ein neues Interview am heutigen Donnerstag. 

Als Fanbeauftragter des DFB, fand sich der heutige Protagonist schon in der ein oder anderen unangenehmen Situation wieder. Wen es interessiert, wie man vom Skatepark zum Fußball kommt, was im Fußball teilweise alles schief lief und warum Gerald zwischenzeitlich Stürmer in Malaysia war, kann dies nun nachlesen.

1…2…3…Go!


NMAA:

Hey Gerald! Vielen Dank, dass du mir ein wenig deiner Zeit schenkst. Fan von Münster und Mönchengladbach, angehender Fahrradprofi und Besitzer einer BahnCard. Ist Letzteres der Grund, warum du dich zum Fahrradprofi trainierst?


Gerald:

Starkes Intro und starke erste Frage…haha! Zum Thema Fußball sprechen wir gleich ja noch ausführlicher. Wobei ich auch über die beiden anderen Themen endlos viel zu sagen hätte. An dieser Stelle nur so viel: Beides lässt sich super kombinieren. Ich mache einmal im Jahr eine lange Radtour, übernachte am Zielort und fahre am nächsten Tag mit der Bahn zurück. So bin ich u.a. schon von Frankfurt nach Münster und zurück gefahren.


NMAA:

Und das machst du dein Leben lang schon oder eher als Ausgleich zu deinem Job?

Also klar man macht alles als Ausgleich zu irgendwelchen negativen Belastungen, aber es könnte ja sein, dass du so nen’ Jugendhobby, mit ins Erwachsenenalter genommen hast.


Gerald:

Ich könnte mir mein Leben grundsätzlich schon so vorstellen, dass ich nichts anderes mache als mit dem Rennrad zu Spielen oder auch Konzerten zu fahren und mit der Bahn zurück. 

Aber im Ernst: 
Im Sommer 2012 war ich an einem Punkt, an dem ich über Einiges in meinem Leben nachgedacht habe. Eine wesentliche Erkenntnis war, dass ich eigentlich keinen wirklichen Ausgleich hatte. Ich war als DFB-Fanbeauftragter beruflich zu mehr als 100% im Fußball unterwegs und dann auch noch in meiner Freizeit als Fan von Preußen, Gladbach und als Hopper. Ohne es lange Zeit selbst zu merken: 

Das war zu viel und nicht wirklich gut für mich. 

“Im Sommer 2012 war ich an einem Punkt, an dem ich über einiges in meinem Leben nachgedacht habe.“

Als die-hard Tour de France-Fan, der auch schon mehrfach live bei Bergetappen war, habe ich mir dann ein Rennrad zugelegt und war von der ersten Tour an voll angefixt. Rennradfahren hat für mich auch was meditatives. Es gibt nichts, womit ich meinen Kopf besser frei bekomme.


NMAA:

Fußballfan und Hopper. Musikalisch und politisch würde ich dich jetzt auch weit weg von der rechts-konservativen Seite einordnen. Wir beide haben uns über den Fußball kennengelernt. Allerdings triffst du ja nicht dauerhaft Menschen, die wie wir der HC und/oder Punkszene entspringen. Wieviele Rollen muss man als DFB Fanbeauftragter einnehmen? Wie wird man seinem Gegenüber gerecht, wenn die Begegnung nicht auf einer Wellenlänge stattfindet? Und am wichtigsten: 

Wie wird man sich selbst dabei gerecht?


Gerald:

Da muss ich länger ausholen. Ich habe den Fußball gerade auch deshalb lieben gelernt, weil er so viele unterschiedliche Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen zusammenbringt. Da ich die 1980er Jahre in den Stadien noch kennengelernt habe, war ich schon als Kind von vielen Dingen total irritiert. 

Gut erinnern kann ich mich noch an eine Geschichte im Sommer 1990. Neben dem Preußenstadion ist ein großer Skatepark, in dem ich mich früher nach Spielen, gerne noch aufs Rollbrett gestellt habe. Nach einem fantechnisch langweiligen Heimspiel gegen Fortuna Köln haben Preußenhools, ohne für mich erkennbaren Grund, die Skater dort angegriffen. Bei gegnerischen Fußballgruppen habe ich sowas ja noch nachvollziehen können. Aber diese Aktion hat mich völlig verstört.

Mitte der 90er haben unsere Leute bei Preußen dann mehrfach Ärger mit Nazis im Stadion gehabt. Als das zugenommen hat, war mir klar, dass ich aktiv werden möchte. So wurde ich 1998 Fanbeauftragter in Münster. Sehr schnell habe ich gelernt, was Kompromissbereitschaft heißt. Dabei hatte ich aber immer das Gefühl, meine eigenen Werte nicht verleugnen zu müssen und durch mein Handeln das Beste für die Fanszene und auch den Verein herauszuholen.

“Mitte der 90er haben unsere Leute bei Preußen dann mehrfach Ärger mit Nazis im Stadion gehabt. Als das zugenommen hat, war mir klar, dass ich aktiv werden möchte.“

In der Rolle beim DFB bin ich dann bei bestimmten Länderspielen im Ausland, mehrfach an meine moralischen Grenzen gekommen. Ich war immer willens, die Perspektiven von anderen einzunehmen. Sonst hätte ich den Job nicht professionell ausüben können. Aber will man sich auch für Personen mit menschenverachtenden Ansichten einsetzen, wenn sie Probleme im Stadion bekommen? Ich habe in solchen Situationen dann versucht, mich an meinen persönlichen Werten zu orientieren und bin damit gut gefahren. Das heißt nicht, dass ich mich nicht auch für Menschen eingesetzt hätte, für deren Verhalten ich nur wenig Verständnis gehabt habe. Es gab für mich aber immer gewisse Grenzen.


NMAA:

Wusste man bei der Nationalmannschaft bzw. bei deren Anhang um deine Haltung gegenüber Rassismus bzw. diskriminierendem Verhalten? 

Und wie sehr hast du dich in Konfliktsituationen in einer eigenen Drohkulisse befunden? Ich stelle mir das enorm schwierig und herausfordernd vor.


Gerald:

Tatsächlich ernsthaft persönlich bedroht worden bin ich komischerweise nur in Münster. Das hat sich aber sehr schnell gelegt. Zumal mir sogar eher rechtsextrem denkende Hools zur Seite gesprungen sind.

Beim DFB war es zu meiner Zeit so, dass es eine klare Haltung gegen Diskriminierung gab, was „meinem“ ersten Präsidenten Theo Zwanziger persönlich sehr wichtig war und was auch nach seiner Zeit weiter gewirkt hat. Das hat mir einerseits Handlungssicherheit gegeben. Anderseits hat das dazu geführt, dass nicht ich persönlich, sondern eher der Verband an sich als Feindbild bestimmter Leute gesehen wurde. 

“Gerade im Ausland war nicht immer klar, wie sich die örtlichen Sicherheitskräfte verhalten würden und wo ihre Eingriffsschwellen bzw. ihre Unterstützungsbereitschaft liegen.“

Nichtsdestotrotz gab es natürlich auch einige sehr unangenehme Situationen für mich. Gerade im Ausland war nicht immer klar, wie sich die örtlichen Sicherheitskräfte verhalten würden und wo ihre Eingriffsschwellen bzw. ihre Unterstützungsbereitschaft liegen.


NMAA:

Hast du Lust da etwas aus dem Nähkästchen zu plaudern? Wo gab es eine Situation bei der du dachtest „Scheisse jetzt sind wir im Arsch!“?


Gerald:

2000 waren an einem Freitagabend nur wenige unserer Leute mit beim Auswärtsspiel in Wilhelmshaven. Dort tauchte völlig unerwartet ein ganzer Bus mit Rechten auf, die sich im Gästeblock entsprechend verhalten haben. Trotz Unterzahl - ziehen wir mal die schweigende Masse ab - haben wir das aber nicht einfach hingenommen. 

“In letzter Sekunde haben sich dann die Handvoll unserer anwesenden Hools dazwischen gestellt und gesagt, wer sich mit mir anlegt, legt sich auch mit ihnen an.“

Ich habe daraufhin aus nächster Nähe einen Bierbecher an den Kopf bekommen. In letzter Sekunde haben sich dann die Handvoll unserer anwesenden Hools dazwischen gestellt und gesagt, wer sich mit mir anlegt, legt sich auch mit ihnen an. Das hat mich in der Situation gerettet.

“Es wurde immer wieder ausgenutzt, wenn das Zeigen bestimmter Flaggen im Ausland nicht verboten war.“

Bei Länderspielen gab es auch einige heikle Situationen. Es wurde immer wieder ausgenutzt, wenn das Zeigen bestimmter Flaggen, im Ausland nicht verboten war. In Schweden habe ich z.B. mal jemanden mit einer schwarz-weiß-roten Fahne im Gästeblock aufgefordert, die Fahne einzupacken. Rein rechtlich musste er das in Schweden nicht, was er auch wusste. Ich hatte kein Hausrecht, der schwedische Ordnungsdienst wollte keinen Verstoß gegen die Hausordnung erkennen und hat sich rausgehalten. Es kamen immer mehr Gestalten an den Ort der Diskussion. Als ich anfing, mich mehr als unwohl zu fühlen, kamen glücklicherweise einige korrekte Leute dazu, die sich dann positiv eingemischt haben. Ohne einen Hamburger Freund, der die aktiviert hat, hätte das übel ausgehen können, zumal der Ordnungsdienst sich längst zurückgezogen hatte.


NMAA:

Der Bus in Wilhelmshaven war aber aus Münster oder hat die örtliche NPD da einfach einen Ausflug unternommen?


Gerald:

Die Leute kamen eher aus dem Umland von Münster. Es waren viele dabei, die ich vorher und nachher nicht bei Preußenspielen gesehen habe. In Wilhelmshaven haben die sich scheinbar auch mit lokalen Gleichgesinnten getroffen.


NMAA:

Kommen wir nochmal zurück zum Skatepark. Bist du auf Preußen aufmerksam geworden weil du an Spieltagen da deine Ollie‘s geübt hast? Ich stell mir das in etwa so vor 

„Jetzt bin ich drei Jahre permanent auf die Fresse geflogen. Hab mir das Handgelenk verstaucht, kenne meine Knie eigentlich gar nicht mehr ohne schlimme Schürfwunden und bis heute hab ich es nicht in die Halfpipe geschafft. Ich probiers‘ bei Preußen…da ist es weniger gefährlich…“. 

Ich mein du bist ca.2,00 Meter groß. Nicht gerade Gardemaß für einen neuen Tony Hawk.


Gerald:

Ich war zuerst Gladbach-Fan und auch schon auf dem Bökelberg bevor ich wusste, dass es Preußen Münster überhaupt gibt. Mich hat dann ein Nachbar zum ersten Mal mitgenommen und ich war direkt mitten im Fanblock. Das hat mich total geflashed und es war sofort um mich geschehen. Zumal Preußen in der Saison in die 2. Bundesliga aufgestiegen ist. Erst nach ein paar Spielen habe ich realisiert, dass hinter der anderen Seite des Stadions ein Skatepark ist. 

“Mich hat dann ein Nachbar zum ersten Mal mitgenommen und ich war direkt mitten im Fanblock. Das hat mich total geflashed und es war sofort um mich geschehen.“

Davor bin ich andere Skatespots gefahren. Da ich als Skater eher talentlos, aber umso risikofreudiger war, passt das mit den Verletzungen sogar…


NMAA:

Aufgewachsen bist du in Münster?


Gerald:

In einem Vorort.


NMAA:

Wenn man in einem Vorort von Münster aufwächst, irgendwo im Münsterland wo sich selbst Hase und Fuchs mögen….wie kommt man dann zu Mönchengladbach? War’s der damalige Erfolg der Borussia?


Gerald:

Mit meinem lokalen Fußballverein, bei dem ich in der Jugend gekickt habe, sind wir 2 x  pro Saison zu Bundesligaspielen gefahren. Mein viertes Stadionerlebnis hatte ich am Bökelberg. Ich habe mich sofort in dieses Stadion mit den steilen Rängen verknallt. Der Fußball war da fast eher nebensächlich. Wobei die Borussia das Spiel damals gegen den HSV gewonnen hat. Mein Trainer war Gladbachfan und hat im Siegesrausch jedem 5 Mark dazu gegeben, der eine Mütze oder einen Schal gekauft hat. 

“Mein viertes Stadionerlebnis hatte ich am Bökelberg. Ich habe mich sofort in dieses Stadion mit den steilen Rängen verknallt. Der Fußball war da fast eher nebensächlich.“

Die Borussia hatte seinerzeit auch eine recht passable Truppe mit Leuten wie Criens, Rahn, Bruns, Frontzeck oder Hochstätter.

Die großen sportlichen Zeiten, waren da aber längst vorbei. So alt bin ich jetzt auch nicht…


NMAA:

Angenommen Münster steigt in die Bundesliga auf oder Gladbach bis in die Regionalliga ab. Für wen schlägt dein Herz?


Gerald:

Gemeine Frage, die ich aber häufiger gestellt bekomme. Da ich erstens viel tiefer in der Fanszene war und zweitens 8 Jahre für den Verein gearbeitet habe, lautet die Antwort eindeutig Preußen Münster! Ich muss aber zugeben, in den letzten 10 Jahren mehr Spiele von Gladbach gesehen zu haben. Was mit den vielen Europacuptouren durchaus interessanter war. 

Ich musste mich in meiner aktiven Zeit nicht selten dafür rechtfertigen, dass ich mich als echten Fan von zwei Vereinen bezeichne. Preußenspiele gingen dabei mit einer Ausnahme immer vor. Meine Serie als Allesfahrer ist 2004 gerissen, weil ich beim letzten Spiel auf dem Bökelberg gegen 1860 dabei sein musste und das Preußenspiel in Braunschweig geschwänzt habe.

“Ich musste mich in meiner aktiven Zeit nicht selten dafür rechtfertigen, dass ich mich als echten Fan von zwei Vereinen bezeichne.“

Bislang war ich aber auch froh, dass es noch nicht zu einem Aufeinandertreffen im DFB-Pokal gekommen ist.


NMAA:

Man sieht in den Kurven in den letzten Jahren mehr und mehr Transparente und Aktionen gegen den DFB. Selbst reflektierte Szenen besitzen immer weniger Dialogbereitschaft, so ist zumindest mein Eindruck. Zeitgleich fühlt es sich medial an als würden in den Stadien die Gewalt und Auseinandersetzungen rasant zunehmen.

Was denkt der ehemalige Mitarbeiter des DFB Gerald darüber und was der Fußballfanatiker Gerald?


Gerald:

Zwischen den Ansichten der aktiven Szenen und der Denke vieler Verbandsverantwortlicher liegen und lagen schon immer Welten. Bestimmte Dinge aus beiden dieser Welten lassen sich in meinen Augen auch durch noch so gute und transparente Dialoge per se nicht in Einklang miteinander bringen. Das sollten alle anerkennen und auch ihre jeweiligen roten Linien klar benennen. So entstehen weniger schnell falsche Erwartungshaltungen und weniger Frust. 

“Zwischen den Ansichten der aktiven Szenen und der Denke vieler Verbandsverantwortlicher liegen und lagen schon immer Welten.“

Die Bereitschaft hierzu hat bei vielen - teilweise aus nachvollziehbaren Gründen - stark abgenommen. Dennoch halte ich es für wichtig, Dialoge zu führen. Dadurch haben sich in der Vergangenheit auf beiden Seiten - wenn teilweise auch nur tröpfchenweise - Dinge verbessert und in der Zukunft lässt sich damit mindestens mal Schlimmeres verhindern.

“Es wird in den Fanszenen immer seinen Reiz haben, die Mächtigen zu ärgern.“

Aber wie ich 2006 beim Vorstellungsgespräch auf die Frage, wie ich die „Fußballmafia DFB“-Gesänge beenden könnte, schon gesagt habe: Es wird in den Fanszenen immer seinen Reiz haben, die Mächtigen zu ärgern. Selbst wenn der DFB zur fanfreundlichsten Organisation des Universums mutieren würde, würden die aktiven Fanszenen in der Opposition bleiben.

Der Fußballfanatiker Gerald hat sich fast 30 Jahre aus unterschiedlichen Perspektiven mit fanpolitischen Themen beschäftigt und ist diesbezüglich mittlerweile etwas müde geworden. Ich freue mich aber immer noch sehr über fankulturelle Highlights und kann Stadionbesuche auch heute noch genießen.


NMAA:

Könntest du denn konkrete Beispiele benennen wo - ganz gleich welche Seite - man ggf. sogar kurzfristig Dinge zum positiven ändern könnte? Oder bleibt den Parteien da lediglich „nur“ der Dialog?


Gerald:

Ich bin nicht mehr auf dem aktuellsten Stand, um konkrete Dinge benennen zu können. Zum Ende meiner DFB-Tätigkeit war ich auch nicht mehr direkt bei den Fandialogen involviert.

Ich bin aber der Überzeugung, dass es vielerorts positive Auswirkungen hätte, wenn die Klubs mehr Gestaltungsspielräume hätten bzw. mehr Verantwortung übernehmen würden. Schließlich fungieren die Klubs als Veranstalter an den Spieltagen!


NMAA:

Jetzt haben wir genug über ernste Themen gesprochen. Du fährst selbst heute noch hoppen. Ich kann mich an einige großartige Storys erinnern, bei denen ich immer noch lachen muss. Was war dein skurrilster oder witzigster Fußballmoment?


Gerald:

Die vielen besonderen Erlebnisse beim Fußball auf einen Moment zu reduzieren, fällt mir schwer. Gerade die witzigsten Geschichten sind auch nicht unbedingt jugendfrei.

In Malaysia bin ich mal mit dem chilenischen Mittelstürmer des Vereins verwechselt worden und hatte fortan keine ruhige Minute mehr. Selbst als mein Doppelgänger zum Warmmachen aufs Spielfeld kam, haben die Massen nicht von mir abgelassen und waren überzeugt davon, ich sei zumindest sein Zwillingsbruder. 

“In Malaysia bin ich mal mit dem chilenischen Mittelstürmer des Vereins verwechselt worden und hatte fortan keine ruhige Minute mehr.“

So viele Nüsse, Schokoriegel und Colas wie ich ausgegeben bekommen habe, hätte ich im Leben nicht verzehren können. Nachdem wir die vielen Übernachtungsangebote ausgeschlagen haben, gab es dann aber zumindest noch einen angemessenen Auto-Konvoi - inklusive Hupkonzert - bis zur Stadtgrenze für uns.


NMAA:

😂😂😂 In wie vielen Ländern hast du bereits Fußballspiele gesehen? Zählst du das als ordentlicher Hopper?


Gerald:

Ich war nie klassischer Hopper, meine beiden Vereine sind immer vorgegangen. Die Zahl kenne ich aber tatsächlich, ist auch leicht zu merken: 50.


NMAA:

Du hast aber nicht nur den Fußball und das Radfahrern als Hobby für dich entdeckt, sondern bist auch Musikliebhaber. Wie bist du zum Punk gekommen?


Gerald:

Meine musikalische Reise hat einige Umwege genommen. Als 10-jähriger Skater bin ich erstmals mit härterer Musik in Kontakt gekommen und habe Sachen wie Dead Kennedys oder UK Subs gehört. Dann bin ich recht schnell Richtung Metal abgebogen (Slayer, Sepultura, Paradise Lost etc.) und über den Crossover der frühen 90er (Rage against the machine, Biohazard etc.) beim Hardcore angekommen. 

“Als 10-jähriger Skater bin ich erstmals mit härterer Musik in Kontakt gekommen und habe Sachen wie Dead Kennedys oder UK Subs gehört.“

In der Szene bin ich neben dem Fußball sozialisiert worden. Wobei ich auch immer mal wieder musikalische Ausflüge unternommen habe, zum Beispiel zum Drum and Bass.


NMAA:

Ich hab damals über Madball und Agnostic Front den Zugang zum Hardcore gefunden. Wer war’s bei dir?


Gerald:

Sick of it all, wobei Madball‘s „Set it off“ eine meiner ersten gekauften HC-Scheiben war. Musikalisch haben mich dann aber eher die Straight Edge-Kapellen gefangen, sowohl die älteren wie Youth of today, Gorilla Biscuits oder Chain of strength als auch die neueren wie Snapcase, Slugfest oder Chokehold.


NMAA:

Warst oder bist du bzw. lebst du selbst straight edge?


Gerald:

Nene, wir beiden haben ja auch schon zusammen Champagner getrunken. Ich bin aber seit den 90ern Vegetarier.


NMAA:

Jetzt musst du aber aufklären wie es hierzu kam😅.


Gerald:

Zum Champagner oder zum fleischlosen Leben?


NMAA:

Zum Champagner. Das fleischlose Leben ist meines Erachtens nach, eher eine Entscheidung der Vernunft.


Gerald:

Nachdem wir auf einer von der FIFA bezahlten Veranstaltung - jetzt weiß jeder, dass wir beiden käuflich sind - schon lecker Wein und Bier getrunken hatten, war die Hotelbar so freundlich, uns eine Champagnerflat zu spendieren. 

“Ich wäre ja beim Bier geblieben, um den bodenständigen Funktionär zu spielen.“

Ich weiß gar nicht mehr, wie die dazu gekommen sind… Ich wäre ja beim Bier geblieben, um den bodenständigen Funktionär zu spielen. Aber Du als Ultra musstest unbedingt aus dem Vollen schöpfen.


NMAA:

In meiner Erinnerung habe ich als braver Anarchist die Hotelbar von diesem bourgeoisen Mist - verantwortungsbewusst wie ich bin - befreit! 

Snapcase hab ich mir gerade angehört, der Song "Guilty by Ignorance" könnte mein Musikhighlight 2022 darstellen. 

Zurück zu deiner Ansicht über Musik: Bestes Album aller Zeiten?


Gerald:

Puh…da müsste ich eigentlich mehrere nennen. Ich nehme aber mal das von mir wahrscheinlich am häufigsten gehörte Album: Lookinglasself von Snapcase. 

Und um die Frage vorweg zu nehmen: bestes Konzert war Snapcase, Chokehold, Refused und Feeding the fire 1995 in der Zeche Carl in Essen. Das war der totale Abriss!


NMAA:

Wir kommen leider so langsam zum Ende unseres Interviews. Ich hoffe, dass wir unser Gespräch an anderer Stelle nochmals vertiefen können. Liebster Gerald ich danke dir für die interessanten Antworten und deine Zeit. Nenne doch bitte noch deinen aktuellen Musiktip. Die danach folgenden Worte gehören allein und ungefiltert dir! Go!


Gerald:

Wie schade, ich könnte noch tagelang so weitermachen und würde irgendwann die nicht jugendfreien Anekdoten auspacken. 

"When Words Are Not Enough" von Berthold City ist ein absolutes Brett und mein persönliches Album des Jahres 2022.

“Football is for you and me and not the f…ing industry - und das wird trotz aller Entwicklungen, hoffentlich noch sehr lange so bleiben.“

Schade, dass der Profifußball in den letzten Jahren einige Typen wie Dich, verloren hat. Ich kann die meisten Gründe derjenigen, die sich abgewendet haben, verstehen. Football is for you and me and not the f…ing industry - und das wird trotz aller Entwicklungen, hoffentlich noch sehr lange so bleiben.


Vielen Dank und hoffentlich bis ganz bald!

1 Kommentar:

  1. Sehr gutes Interview! Mit den 2 Lieblingsvereinen stimmt natürlich nicht so ganz. Sind mindestens 12! Henning

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