Donnerstag, 24. November 2022

Katar - Eine Abrechnung

Da ist sie nun, die WM in Katar. Geschaut wird sie dennoch. Zugegebenermaßen von deutlich weniger Menschen als angenommen und zugegebenermaßen mit deutlich mehr kritischen Stimmen wie jemals eine Fußballweltmeisterschaft zuvor. 

Selbst die hauptsächlich ausrichtenden Sender das ARD und ZDF, kamen nicht umher die gesamte Thematik aus dem kritischen Blickwinkel zu betrachten. So liefen vor Start dieser fragwürdigen Veranstaltung in diversen Abendprogrammen, Mediatheken oder digitalen Formaten etliche Dokumentationen, Reportagen und Gesprächsrunden die sich diesem Thema widmeten. 

Ausgestrahlt wird es allerdings trotzdem. Gesehen von Millionen Zuschauer:innen ebenfalls. Das ist in etwa vergleichbar als würde man des Nachbars Nachwuchs vor deren Augen eine schallernde Ohrfeige verpassen, danach zu eben jenen rüber rennen und einen mehrstündigen Monolog über Menschenrechte und Kindeswohl halten. Eine Farce. 

Aber wie kann es denn überhaupt zu einem derart seltsamen Austragungsort kommen? 

Einerseits ist das natürlich der FIFA zu verdanken, die ja mehr oder minder Urheberrechte auf das Substantiv „Korruption“ besitzt. Jedoch wird nicht erst seit 2015, als es dank US Behörden zu mehreren Festnahmen aufgrund von Schmiergeldaffären im Zuge der WM Vergaben an Russland und Katar kam, fleißig gelogen und betrogen.

Nein, nein…das Spielchen treiben die Kolleginnen und Kollegen im Verband seit 1991 fröhlich voran. Hier mal ein Milliönchen, da mal ein Milliönchen. Immaterielle und materielle Güter mal ausgenommen. 150 Millionen Dollar haben so über die Jahre an Funktionärstischen die Seiten gewechselt. Das ist nicht schön. Das weiß sogar Sepp Blatter!

Die FIFA hat sich darüber auch lange Gedanken gemacht und bei diversen Champagner-Bädern die Köpfe zerbrochen, wie man denn nun endlich dieser Korruption Herr werden kann. 

So haben Blatter, Platini, Infantilo...Entschuldigung…Infantino und ihre Gefolgschaft von Maden im Speck, über das 2018 eingeführten „FIFA Ethik Reglement“ einfach das Wort „Korruption“ gestrichen. „Bestechung“ durfte bleiben. Bei „Korruption“ wurde einfach „Entf“ auf der Tastatur gedrückt. Ha! So einfach geht das! Ich persönlich habe mir im Zuge dessen ebenfalls überlegt ob ich bei meiner vorgeschriebenen Wochenarbeitszeit vielleicht auch einfach „Entf“ drücke. Ich wäre sogar so kooperativ und würde die hintere Zahl stehen lassen, da gehe ich für die FIFA gern als gutes Beispiel voran. Menschenrechtsverletzung ist jetzt nicht so meins, da bin ich sehr eingefahren…die FIFA hingegen ist hier recht flexibel. Wenn es um den Ausverkauf von moralischen Grundsätzen geht, knallen in der Schweiz bekanntlich schnell die Korken. Prost! 

Dem nicht genug, gibt das Ethik Reglement den FIFA Kritiker:innen ordentlich Einen drüber. So wurde u.a. festgelegt, dass mögliche Whistleblower - auf FIFA Sprache: "Petzen" - mit empfindlichen Geldstrafen oder gar Sperren rechnen müssen. Zusätzlich wurden sogenannte „Verjährungsfristen“ für etwaige Skandale bzw. Betrugsaffären eingeführt. Frei nach dem Motto „Schwamm drüber!“ oder wie man im Rheinland zu sagen pflegt:“Wat fott es - es fott“. Als Kind hab ich diesen Trick häufiger angewandt. Wenn ich mal wieder was angestellt hatte, hab ich die Augen geschlossen - denn wenn ich niemanden sehe wird auch mich niemand sehen. Ganz im Gegensatz zur FIFA, funktionierte dies bei mir mit eher mäßigem Erfolg. 

Aber wollen wir mal nicht so sein. Vielleicht hat die FIFA auch einfach nur einen schlechten Tag erwischt, damals 2010 bei der gekauften WM Vergabe an Russland und Katar, oder 1998 als zur Wahl Blatters zum Präsidenten des Weltfußballverbandes, hartnäckige Gerüchte um Bestechungsgelder kursierten (Urplötzlich schwenkten diverse Delegierte bei der Abgabe ihrer Stimme von Johansson auf Blatter um), oder 2002 als ein 32-seitiges Dossier, Blatter der Veruntreuung von Geldern bezichtigt hat (das Dossier wurde dann versehentlich sicher in der S-Bahn liegen gelassen), vielleicht auch als 2002 Tickets für die WM in Südkorea von Delegierten der FIFA, in großem Stil auf den Schwarzmarkt gegeben wurden, eventuell ebenfalls 2011 als bin Hammam Blatter als Präsident beerben wollte - der gute bin Hammam wurde zufällig der Korruption überführt… von Blatter. Oder 2015 als der damalige Generalsekretär sich üppig an Ticketverkäufen bereicherte, oder auch als 2014 der 420-seitige Bericht von Chefermittler Garcia (ernannt durch die Ethikommission) über verdächtige Tätigkeiten seitens der FIFA Funktionären, doch nicht so ganz veröffentlicht werden sollte. Da konnte doch niemand ahnen, dass in dem Laden was schief laufen könnte. Never!

Das Problem mit der „One Love“ Armbinde ist natürlich reaktionär und dumm, aber nur die aktuelle Spitze des Eisberg. 

Warum überhaupt ist denn so ein Austragungsort noch interessant. Ich mein in Zeiten des Klimawandels kann ja nicht Ziel sein möglichst viel Strom zu verbrauchen um die ratternden Klimaanlagen in den Stadien zu betreiben…. 

Na klar. Es geht - wie auch bei der FIFA - um Geld! Und zwar diesmal nicht um ein paar läppische Milliönchen. Dieses Mal geht es um die große Kohle. Die wirklich große Kohle. Siemens, VW, die deutsche Bank. Die Kataris sind gern gesehene Investoren auf den westeuropäischen Finanzmärkten. Da sieht man schnell über schlechte Arbeitsbedingungen, eine Monarchie, ein reglementieren der Medien hinweg, solange das Geld fließt. Auch das Homosexualität verboten ist, ist dann nicht mehr so tragisch, denn woanders ist die ja schließlich genehmigt. So! 

Die ganze LGBTQ+ Community kann sich doch jetzt einmal 4 Jahre gedulden, bis eine WM in einem etwas weltoffenerem oder zahlungskräftigerem Land stattfinden kann. Nordkorea wäre doch eine schöne Idee. Die paar Atomtests. 

Bei allem Sarkasmus und Zynismus über dieses Turnier bzw. diesen Verband darf man eines nicht vergessen. 

Die FIFA ist ein straff organisiertes Wirtschaftsunternehmen mit Mafia-ähnlichen Strukturen. Hier wird wortwörtlich über Leichen gegangen, um die Interessen der Funktionäre zu verwirklichen. Ursprünglich hatte der Verband die Idee der Weiterentwicklung des Fußballs weltweit. Davon ist nichts mehr übrig. Die WM in Katar wurde von der FIFA selbst bereits im Vorfeld zum Desaster gemacht. Der Image Schaden ist irreparabel. Präsident Infantino tritt in die Fußstapfen von Blatter und greift ebenfalls lediglich nach der großen Kohle, nur noch skrupelloser, noch offensichtlicher.

Aber was ändert es wenn ich als Einzelne/r die WM nicht schaue?

Alles! Es ändert alles! Die FIFA besitzt nur diese Macht, weil wir bei deren Veranstaltungen einschalten. Weil wir bei deren Veranstaltungen Tickets kaufen. Schon jetzt treten Sponsoren den Rückzug an, weil die Einschaltquoten für eine WM miserabel sind. Schon jetzt fließt weniger Kohle, weil Sponsorengelder an TV Marktanteile gekoppelt sind und diese mit niedrigeren Einschaltquoten ebenfalls sinken. Gelder die dann nicht für korrupte Geschäfte genutzt werden können und menschenverachtende Bedingungen nach sich ziehen. 

In diesem Fall ist eine persönliche Handlung in Bezug auf die Weltmeisterschaften, die beste und einfachste aller Lösungen.

Umschalten - Ausschalten - Abschalten

Ich habe gestern als es um die WM Teilnahme der Deutschen ging, als Schlagzeile einer „Zeitung“ gelesen „Macht euch zu Helden! Holt den Pokal!“ oder so ähnlich…

Ein Gegenvorschlag:

Holt die Jungs da raus. Brecht das Turnier für die deutsche Nationalmannschaft ab. Schickt sie noch vor dem ohnehin drohenden Vorrunden Aus nach Hause! Entschuldigt euch danach bei allen Menschen die gerade öffentlich diskriminiert werden, bei den Hinterbliebenen der Toten Arbeiter:innen und bei allen die nur Nachteile durch diese WM erfahren, dass es viel zu lange dauerte bis man die richtige Entscheidung getroffen hat.

Dadurch werdet ihr keine Helden. Das nicht! Man könnte allerdings zumindest ein bisschen unter Beweis stellen, wofür Teile Deutschlands im Jahr 2022 auch stehen können. Nämlich für Toleranz, Weltoffenheit und Diversität. Allem voran gewinnt man dabei eins zurück: Das fehlende Rückgrat.

#boycottqatar2022

#holtdiejungsdaraus

#keinefaulenkompromisse


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