Vor ein paar Wochen haben wir mit „Wünsch dir was!“ die Leser:innen aufgefordert, Vorschläge zu Spielbesuchen bei ihren Vereinen zu geben. Spielbesuche, die selbstredend einen Bericht über den besuchten Verein nach sich ziehen. Unser guter Freund Daniel Staude hat seine große Liebe, den KFC Uerdingen vorgeschlagen und gerne nahmen wir diese Idee an.
So könnt ihr heute den ersten Bericht resultierend aus „Wünsch dir was!“ erblicken. Here we go!
Sex, Punk, KFC Uerdingen 05
Samstagabend 18h im Februar bei nasskaltem Wetter. Eigentlich eher eine berechtigte Ausrede um sich nicht ins Freie zu begeben. Aber auch ein Grund um Fußballromantik in seiner Höchstform erleben zu können und die Beine in die Krefelder Grotenburg zu stellen.
Bereits kurz nach der Autobahn-Abfahrt lassen die langhälsigen Flutlichtmasten der Grotenburg Kampfbahn den Himmel um sich herum erleuchten. Für einen kurzen Augenblick bin ich wieder Kind und empfinde die Faszination von damals, wenn es unter Begleitung zu einem abendlichen Fußballspiel ging. Für mich hatten Flutlichter und Abendspiele im Winter, immer etwas Magisches.
In den kalten Monaten konnte man zudem noch meist leichte Nebelschwaden durch den Schein der Leuchten wahrnehmen und bereits auf dem Weg vom Auto ins Stadion, vernahm man hin und wieder erste Schlachtrufe aus den Fankurven. Als kleiner Junge war ich in solchen Situationen manchmal so nervös, wie auf dem Rückweg aus der Kirche an Heiligabend in Richtung nach Hause bzw. in Richtung Bescherung. Bei Derbys bildete ich mir ein, dass man den Geruch von abbrennendem Magnesium der Bengalfackeln, bereits weit vor Anpfiff erschnüffeln konnte. Dazu der Qualm der etwas verbrannten Rostbratwurst und Gestank von altem Bier. Alles zusammen ergab für mich als Kind etwas Wunderbares. Es roch nach Stadion, es roch nach Fußball.
Die Grotenburg Kampfbahn, als eine der letzten Bastionen gegen den modernen Fußball und das obwohl die Geschichte des KFC Uerdingen in jüngster Vergangenheit mehr als manch andere Vereinshistorie, für den modernen bzw. für den rein kapitalistisch orientiertem Sport stand.
Erst Lakis, dann Ponomarev. Die Investoren gaben sich, beim ohnehin schon Krisen gebeutelten, KFC Uerdingen die Klinke in die Hand. Zum Leidwesen aller Fans, wurde der Verein über mehrere Jahre so zum Spielball von Profilneurotikern und selbst ernannten „Rettern“, denen dieser so sehr am Herzen lag, wie dem Grotifanten eine enge Freundschaft zu Carsten Nulle.
Hinterlassen hat man dem treuen Anhang am Ende jeder Ära, jedesmal einen Scherbenhaufen.
Über Schulden, Insolvenzen, Betrugsmaschen und Wiederaufbau können Fußballbegeisterte aus der Seidenstadt vermutlich mehr Bücher verfassen, als Brockhaus im gesamten Bestehen jemals Lexika vertrieben hat.
Es hat sich viel geändert am Niederrhein. Vom einstigen Skandal-Club, mausert sich der KFC nach und nach zum Traditionsverein, welcher von der Basis geführt wird.
Ein kurzer Ausflug in den Sommer 2021:
Uerdingen steht wie folgt da:
- Kein Stadion
- Keine Mannschaft
- Kein Trainingsgelände
- Kein Geld
Der Patient ist nicht nur klinisch tot, der Sarg wird gerade in die Gruft getragen. Für nicht wenige Menschen war klar: Das war’s jetzt!
Ein Haufen treuer Seelen um die Grotenburg Supporters, wollte sich nicht kampflos geschlagen geben und schaffte innerhalb von 1,5 Jahren ein Wunder. Im Winter 2022/2023 findet man sich in der Grotenburg Kampfbahn wieder, in welcher gerade neue Sitzschalen auf der Gegengeraden in den Vereinsfarben installiert werden. Die Heimblöcke platzen trotz sportlich mäßigem Erfolg, aus allen Nähten und das in die Jahre gekommene Stadion wird nach und nach saniert. Jüngst wurde eine Geschäftsstelle eingeweiht und ein Fanprojekt ins Leben gerufen. Der KFC Uerdingen schreibt sein eigenes kleines Fußballmärchen.
Um den Bogen zu unserer Überschrift zu schlagen wandern wir in der Zeit jedoch nochmal ein wenig zurück. Wir schreiben das Jahr 2015 und Uerdingen ist Skandalnudel des westdeutschen Fußballs. Am Ende dieser Spielzeit findet sich der Club vom Niederrhein, gar als Absteiger aus der Regionalliga wieder. Passend zu all den Skandalen kommt Gerrit Starczewski, Fotograf und heutiger Schöpfer der "PottOriginale" auf eine ganz besondere Idee.
Ein weiterer Sprung:
1989 - Deutschland steht vor der Wiedervereinigung. Die Berliner Mauer fällt, Millionen Menschen liegen sich unter Tränen nach Jahren der Trennung wieder in den Armen, David Hasselhoff wird mit einer blinkenden Lederjacke „Looking for Freedom“ übers ZDF, unterm Brandenburger Tor schmettern und die Scorpions bauen sich auf den Trümmern der ehemaligen DDR mit „Wind of Changes“ ihr eigenes Denkmal.
In der damaligen BRD sind britische Soldaten stationiert. So auch am Niederrhein. Eine britische Soldatenfamilie bezog Ende der 80er Jahre ihr Quartier in Krefeld. Mit dabei, der 10 jährige Sohn Pete.
Pete ist, wie jeder Brite, Fußball begeistert. Er spielt nicht nur selber, sondern besucht mit zarten 10 Jahren, seine ersten Spiele live im Stadion bei Bayer 05 Uerdingen (heute KFC). Fast drei Dekaden später ist Pete erwachsen und glücklicherweise noch am Leben. Noch am Leben? Pete entwickelte neben seiner Leidenschaft zu den Fußballvereinen Queens Park Rangers und Bayer 05 Uerdingen ein besonderes musikalisches Talent.
The Libertines und Babyshambles heißen, neben diversen Soloprojekten, Pete‘s Bands in denen er als Sänger seine Stimme zum Besten gibt.
Manche werden es bereits erahnt haben. Wir schreiben über Pete Doherty. Jener Pete Doherty, der gleichermaßen für wunderbare Songs und handfeste Skandale steht. Drogen, Krawall, Konzertabbrüche. Es gibt kaum einen Aufreger, den Pete ausgelassen hat. Ein besonders langes Leben hat dem in Krefeld aufgewachsenen Jungen, wohl niemand prophezeit. Aber ähnlich wie der KFC scheint auch Doherty allen mutmaßlichen Spekulationen zum Trotz, immer wieder aufzustehen.
Gerrit Starczewski lernte Pete Doherty über einen Kumpel im Tonstudio kennen. Was lag also näher als die beiden Skandal-Süchtigen im September 2015 miteinander zu verheiraten. Gesagt - getan. Pete Doherty wurde mit Unterstützung von Starczewski, somit Ehrenmitglied des KFC Uerdingen. Mittlerweile ist der Fußballverein ins ruhigere Fahrwasser geraten und Pete laut eigenen Aussage, frei von Drogen und handfesten Skandalen.
Was bleibt, ist die Hoffnung den KFC Uerdingen mit der aktuellen Stabilität, nochmal in höheren Klassen und Pete mit gleicher Stabilität, auf der Bühne live zu sehen.
Zum Spiel:
Uerdingen startet mit viel Druck in die ersten 45 Minuten und Sonsbeck hat mehr als einmal Glück, nicht in Rückstand zu geraten. Der Ball will sich aber einfach nicht über die Torlinie schieben lassen.
Zweite Halbzeit und die Krefelder legen wieder anständig los, lassen Sonsbeck jedoch mehr und mehr ins Spiel kommen. Es kommt wie es kommen muss und der Gast geht mit 1:0 in Führung. Danach spielen überaus verunsicherte Uerdinger, gegen einen immer stärker werdenden SV Sonsbeck an, der zur 80 Minute nur durch eine Glanztat des Keepers von 05 nicht mit 2:0 in Führung geht.
Endstand 0:1 aus Sicht der Heimmannschaft. Zieht man die erste Halbzeit in Betracht, hätte bei besserer Chancenverwertung, das Spiel bereits entschieden werden können. So entfernt man sich noch weiter, von den an der Tabellenspitze stehenden Teams aus Velbert und Essen.
Stimmung auf Uerdinger Seite bis zum Gegentreffer ziemlich anständig und selbst Sonsbeck hatte einen beachtlichen Haufen Fans im Gästeblock platziert.
Danke an Daniel für die Inspiration!
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