Verona ist die Stadt der Widersprüche. Einerseits Wiege DER Romanze:
Romeo & Julia und Stadt der Liebe. Andererseits Brutstätte und Italiens „Labor für Rechtsextremismus“. Die Hellas-Kurve zählt bis heute zu den faschistischsten Italiens und ganz Europas. Die Liste von Übergriffen auf Antifaschist*innen ist alles, aber nicht kurz.
Befreundete bzw. uns bekannte Italiener*innen fanden schon vor Jahren ihr fußballerisches Zuhause beim unterklassig spielenden Team Virtus Verona. Tatsächlich hätten wir diesem Team lieber einen Besuch abgestattet, allerdings spielten Virtus bereits am Freitagabend. Da verweilten wir noch im Flieger von Kölle in Richtung Bergamo.
Angestoßen wurde an diesem Sonntag bereits um 12:30 Uhr. Nach der 2-stündigen Zugfahrt (welche uns zwischendurch einen Umstieg in irgendeinem Kaff bescherte, in welchem wir uns sicher waren, dass die italienische Verkehrsgesellschaft Kooperationen – kurzum: hier sind wir richtig am Arsch – mit der Mafia vereinbaren konnte) existierte nicht mehr viel zeitliche Toleranz für einen ausgiebigen Besuch der Stadt vor dem Spiel.
20 Minuten Fußmarsch zum arg in die Jahre gekommenen, aber charmanten Stadio Marcantonio Bentegodi erschienen als angemessene Reiseroute per pedes. Zeitlich gut getaktet blieb massig Platz auf dem Tacho, um Tickets zu ergattern. Nach einer mahnenden WhatsApp von einem befreundeten Münsteraner mit dem Inhalt „IHR HABT WIRKLICH NOCH KEINE TICKETS?“ wurde uns dann aber doch etwas mulmig.
Eine komplette Runde, 2-3 Scans der heimischen Fanszene + eine sehr unangenehme Diskussion (wir gestehen jeder/jedem den personal space ein, aber ob ein deutsches „Hau mal ab du Asi!“ gegenüber einem italienischen Hooligan/Ultra die klügste aller „Ich vermeide Streit“ Strategien ist….hmmm….da könnten Feldstudien was anderes belegen….) später stehen wir vor dem Nichts. Kein Ticket, kein Bier, keine Toilette – dafür jede Menge Streit mit Dritten. Wir starten einen letzten Versuch. Da!!! Kassenhäuschen!
Wir: „Wir brauchen dringend Tickets!“
Kasse: „Für heute?“
Wir: „Nee für Dezember 2025“. (fährt es einem von uns auf Deutsch raus)
Kasse: „English?“
Wir: „Yes. For today!“
Dann erfahren wir - mit Händen und Füßen und Bruchstücken an Englisch - dass irgendwo über dem Parkplatz, Tickets in einem Container verkauft werden.
Irgendwo über dem Parkplatz….Marusha hatte irgendwann in den 90ern den Techno-Hit „Somewhere over the rainbow“. Das hatte viel mit synthetischen Drogen, wenig mit Punk und noch weniger mit Fußball zu tun. Dennoch war der Sound erträglich. „Somewhere over the parking lot“ hingegen ist ein Flop. Keine Charts – Kein Viva – Kein MTV. Nicht mal HitClip auf WDR!
Wir stiefeln in Richtung Parkplatz. Das Spiel läuft bereits. Eigentlich haben wir den Besuch schon abgeschrieben. Plötzlich sehen wir eine kurze Menschen-Schlange vor Fenstern an einer Container-Einrichtung. Soll es etwa doch noch klappen? Unglaublich aber wahr: Wir bekommen noch Tickets fürs Spiel und eilen einmal um die halbe Schüssel zu unseren Plätzen. Die Vorfreude ist groß – selbst dann noch, als wir einen grimmig dreinblickenden Italiener passieren, der gerade das Stadion betreten möchte und in Steinwurf-Weite der Carabinieri schnell noch sein Springmesser im Schuh verstaut.
Endlich sind wir im Stadion. Was für ein Schätzchen. Die in die Jahre gekommene Spielstätte hatte - wie bereits erwähnt - schon bessere Tage (der letzte Umbau war zur WM 1990 - fast die Hälfte unserer Reise-Gang lebte da noch nicht). Dennoch: So stellen wir uns ein Stadion vor! Trotz der eher mauen Besucherzahl hängen über fast alle Tribünen riesige Banner. Die Hellas-Kurve singt über die 90 Minuten eher sparsam, aber wenn Songs dann mal von allen Anwesenden getragen werden, wird es ohrenbetäubend laut in dem Stadion.
Die Hellas-Tribüne ist eher brachial und weniger melodisch.
Sassoulo zwar melodisch, aber durch die Begleitung von nur 200 - 300 Fans eher selten bis gar nicht zu vernehmen.
Das Spiel: Unterirdisch! Wirklich! Zwischenzeitlich hat sich der alte Mann in unserem Kreis für eine Einwechslung angeboten und das heißt was. Irgendwann zur 80. Minute fällt das nächste Kacktor des Monats. Arndt Zeigler hätte seine wahre Freude an den italienischen Profiligen A und B. 1:0 Verona. Die Kurve feiert sanft den greifbaren Sieg. So sollte es auch bleiben – Endstand. Tolles Stadion – Furchtbares Spiel!
Für uns geht es in die Stadt. Als Erstes steuern wir eine Foccaceria an, die mit weitem Abstand das beste Foccacia macht, welche der Verfasser dieses Textes jemals gegessen hat. Ansonsten ist Verona zwar recht überlaufen, jedoch absolut empfehlenswert für einen Besuch!
Und wir haben es ja auch überlebt!
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