Wenn Kaiserslautern und Düsseldorf auf Reisen gehen, klingt das entweder wie ein Revival der vor mehreren Dekaden bestehenden Fanfreundschaft zwischen dem FCK aus der Pfalz und der Fortuna aus Düsseldorf oder nach Ausschreitungen an irgendeinem Bahnhof, wo sich die Wege der jeweiligen Fanszenen gekreuzt haben. Beides ist nicht der Fall. Die Groundhopping Crew hat ihre schon fast traditionelle UK Tour zu den Boxing Days gemacht. Wir haben unserem Freund Dirk Daumenschrauben angelegt und ihn zu einem Bericht genötigt. Unter dicken Krokodilstränen und einer Menge Pints ist was sehr lesbares daraus entstanden. Vielen Dank lieber Dirk! Go:
[GASTBERICHT] - von Dirk Deutschländer
25.12.2022 12:03 Uhr
Endlich war es wieder soweit.Die Vorfreude auf diese Tour nach England war bei allen Beteiligten riesig. Zuletzt waren wir 2019 drüben und nun waren wir wieder auf der Autobahn ab Moers Richtung Calais.
Zu sechst (3x Fortuna und 3x Kaiserslautern) machten wir uns auf und die erste Ungewissheit wartete direkt. Denn der britische Zoll wollte über die Feiertage für bessere Bezahlung streiken. Keiner wusste so genau ob wir rüber kommen oder am selben Tag wieder gen Heimat fahren. Aber vor Ort war es dann eigentlich wie immer. Die Zöllner sehr nett und ohne jegliche Probleme stand unser Neuner-Bus bei Abfahrt um 18:20Uhr im Eurotunnel-Zug.
Der Rest des Tages war eher unspektakulär. Es gab noch ein paar Bier aus der Flasche, da jegliche Pubs am 25ten in England geschlossen haben.
26.12.2022
Die Tour sollte direkt mit einem Kracher beginnen. Um 12:00 Uhr stand das Championship Spiel Watford FC—Millwall FC auf dem Programm.
Ne' knappe Stunde vor Kick-Off, war schon gut was los. Wir hatten natürlich Tickets auf dem „Sir Elton John Stand“, fast direkt neben dem sehr gut gefüllten Gästeblock. Das Stadion an der Vicarage Road kann 22000 Besuchern Platz bieten und 20204 haben an diesem Tag davon Gebrauch gemacht. Mir gefällt dieser Ground persönlich sehr gut, auch wenn die Stimmung auf Heimseite absolut unterirdisch war. Dafür waren die etwa 1600 Gäste aus dem Südosten von London sehr gut drauf und dominierten - wie ihr Team auf dem Platz - das Geschehen auf den Rängen. Der 2:0 Sieg von Millwall war nie gefährdet und so konnte man zu Beginn der Nachspielzeit guten Gewissens aufbrechen.
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Denn um 15:00 wartete mit dem League One Spiel Wycombe Wanderers—Bristol Rovers bereits der nächste Kick auf uns. Dort war dann die Parksituation ne' ziemliche Katastrophe und unsere sowieso schon knapp bemessene Zeit, reichte nicht für den Anstoß im Stadion.
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Den frühen Führungstreffer der Gäste bekamen wir noch am Drehkreuz mit, ehe wir dann den Adams Park enterten. Das Zuschauerinteresse war auch hier recht gut. Von den knapp 10000 Plätzen waren 6664 (1200 davon Gäste) belegt. Die Stimmung war ganz OK, vor allem weil das Heimteam das Ergebnis noch in einen 2:1 Sieg drehte. Ansonsten ein normaler Nachmittag in der dritten Liga.
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Da dieser Tag aber noch ein paar Stunden übrig hatte, wollten wir diese auch sinnvoll nutzen.
So lenkte Jörn den Neuner Bus gekonnt nach Luton.
Da wir noch etwas Zeit hatten, ging es erst zum einchecken ins Hotel und dann zu Fuß zum Kenilworth Road Stadium.
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Der Ground war für uns alle kein Unbekannter, aber leider gab es keine Alternative an diesem Abend. Trotzdem nochmal wichtig zu sagen, dass es sich echt immer lohnt hier hin zu gehen. Mitten im Wohngebiet hat dieser Ground mit seinen 10226 Plätzen den absoluten Charme eines kleinen, schnuckeligen Stadions, wie man es in England leider nicht mehr so häufig sieht. Zu diesem TV-Spiel gegen Norwich City kamen dann auch 9831 Zuschauer (1039 Gäste) und „Sold out“ wurde nur knapp verfehlt. Fußballerisch war es gut und auch die Stimmung war in Ordnung. Zum Spielende ging es mit dem Lautstärkepegel nochmal schwer nach oben, denn Luton erzielte in der 90.Minute, mit einem Mann weniger, den Siegtreffer. Da war aber kurz mal richtig Feuer unterm Dach.
Alles in allem drei gute Spiele mit mehr Stimmung und Support, als erwartet.
Danach gab es noch in nem urigen Pub in der Innenstadt, ein paar Pints und der erste Tag der Tour war geschafft.
27.12.2022
"Auf auf" hieß es dann wieder recht früh, denn heute sollte unser „Amateur-Tag“ werden. Leider wurde kurzfristig das eingeplante Abendspiel (Seaham Red Star—Sunderland RCA) von 19:30 auf 15:00 vorverlegt, so das heute nur zwei Spiele anstanden.
FunFact: Witzigerweise wurde Seaham Red Star abgebrochen, weil das Flutlicht ausfiel. So, das habt ihr davon, wenn ihr uns nicht dabei haben wollt ;-)
Gestartet wurde um 11:00 Uhr bei Studley FC—Racing Club Warwick. Das ist die Midland Football League (9.Liga). Nettes Klubheim gab es am Studley Sports Centre, ansonsten konnte der Ground eine etwa 70-80 Mann fassende, Sitzplatztribüne anbieten.
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Obwohl beide Teams alles gaben, entschieden wir uns etwas früher diesen Ort zu verlassen. Denn das wirkliche Highlight folgte um 15:00 Uhr.
Hallam FC—Handsworth FC, Northern Counties East League (9.Liga)
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Hier fehlen mir eigentlich immer noch die Worte um das alles zu verpacken. Denn immerhin ist die „Sandygate Road“ das (offiziell) älteste Stadion der Welt. Soviel Charme und Tradition, dazu wahnsinnig nette Leute, die viele Geschichten zu diesem Verein/Stadion erzählen konnten.
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In dem auf der anderen Straßenseite befindlichen ehemaligen Pub (leider total baufällig und leer stehend), wurden z.B. die ersten Spielregeln schriftlich festgehalten. Außerdem hat auf diesem Platz das allererste Spiel stattgefunden (Hallam FC—Sheffield FC am 26.12.1860).
Dazu gab es dann ein großartiges Gebolze, auf einem Platz der nicht nur sehr tief war, sondern auch ein Gefälle von einem Tor zum anderen von bestimmt 6/7 Metern hatte. Der großartige Hallam FC gewann dann auch, durch zwei Slapstick-Tore, mit 2:0 vor der Rekordkulisse von 1023 zahlenden Zuschauern. Alles in allem: Liebe auf den ersten Blick.
In love with Hallam FC !!!!
Da es danach kein Fußball mehr gab, ging es direkt nach Sunderland. Dort gab man sich noch 2 Pints und dann musste der kleine Dirk ins Bett. So viele aufregende Erlebnisse an einem Tag, gehen auch an mir nicht spurlos vorbei.
28.12.2022
Völlig überraschend saßen wir um halb zehn schon wieder im Auto und fuhren weiter nördlich nach Edinburgh. Unser erstes Ziel sollte das Edinburgh Castle sein, allerdings hatten wir mit so vielen Touris nicht gerechnet und es war tatsächlich „sold out“. Aber was für eine schöne Stadt, trotz Dauerregen. Nach ein bisschen Sightseeing trennten sich dann unsere Wege. Wir blieben zu viert in Edinburgh und besuchten am Abend das Topspiel Hibernians FC—Celtic FC, wohingegen Jörn und Frank sich zu St.Johnstone gegen die Hearts aufmachten.
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Das Easter Road Stadium ist mit seinen 20421 Plätzen ein absolutes Schmuckkästchen und hört auf den Spitznamen „The Leith San Siro“. Heute kamen 19730 Zuschauer, von denen bestimmt 4000 mit Celtic sympathisierten. Sie hatten die komplette Hintertortribüne und machten 90 Minuten Alarm. Ganz starker Auftritt von den Boys in Green.
Das Spiel ist dagegen schnell erzählt, denn Celtic war mindestens eine Klasse besser und gewann hochverdient mit 4:0 bei den Hibs. Danach war dann schnell Bettruhe angesagt, denn um 6 Uhr wollten wir wieder auf der Autobahn sein.
29.12.2022
So kam es dann auch. Denn heute sollten ein paar Kilometer gemacht werden. Es gab nur ein einziges Spiel um 15:00Uhr und so nahmen wir eben die 620km nach Braintree in Angriff.
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Der Sechstligist (National League South) hat ein nettes Stadion mit kleiner Tribüne und hauptsächlich Stehplatzrängen. Bei einer Kapazität von 4151 Zuschauern, waren an diesem Donnerstag-Nachmittag, beim Spiel gegen den Chippenham Town FC, 728 Leute zugegen. Sehr angenehm war hier, dass man aus der Bar im Stadion das Bier mit auf den Stehplatz nehmen konnte. So konnte man ein flottes Spiel verfolgen, sah 2 Tore und einen Platzverweis für das Heimteam.
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Nach Spielende hatte man dann mal keinen Zeitdruck und konnte gemütlich die 28km nach Colchester rüber fahren. Kurz ins Hotel und dann ab wieder Richtung Autobahn. Denn leider hat man sich hier einen neuen Ground außerhalb der Stadt - in Autobahn Nähe - hingemeisselt. Dieser völlig leblose und steril wirkende Klotz, hört dann auch auf den tollen Namen „JobServe Community Stadium“ (Kapazität:10150).
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Beim heutigen Spiel waren gerade einmal 4025 (786 Gäste) Zuschauer zugegen. Allerdings hatte die erste Halbzeit auch nicht mehr verdient. Was für ein fürchterliches Gekicke. Der zweite Durchgang wurde dann besser, was allerdings auch nicht schwer war. Die Gastgeber gingen dann kurz nach der Pause durch einen Elfmeter in Führung, ehe dann plötzlich auch die Gäste vom AFC Wimbledon anfingen Fußball zu spielen. Nach ner’ knappen Stunde fiel dann auch der Ausgleich und in der letzten Spielminute drehten die sympathischen Gäste, das Ganze noch und gewannen beim stark abstiegsbedrohten Gastgeber, mit 2:1. Der Gästemob feierte und einen selbst packte ein wenig die Schadenfreude. Denn vor knapp 20 Jahren war ich mal bei deren alten Ground, hatte ein Ticket gekauft, Flutlicht war an, der Platzwart bestätigte uns das gespielt wird und ne’ halbe Stunde später wird der Kick abgesagt wegen „Frozen pitch“. So bin ich dann leider nie in den Genuss der alten, kleinen Bude gekommen.
©Dirk Deutschländer |
Der Abend endete mit ein paar Getränken im Pub—überrascht das noch jemanden?
30.12.2022
Kultur-Kultur-Kultur
Am letzten Tag begannen wir den Tag mal mit etwas sinnvollem. Es ging ins Colchester Castle.
Schönes, kleines Castle mit vielen alten Utensilien, die im Inneren ausgestellt sind. Die 12 Pfund Eintritt sind gut angelegt, auch wenn man recht schnell durch ist. Schließlich muss ja auch alles in Stand gehalten und für die Nachwelt bewahrt werden.
Nach einem kleinen Spaziergang durch die Innenstadt wartete aber schon wieder das Auto auf uns. Rein und los, denn wir hatten ja noch ein Spiel vor der Brust. Im schönen Städtchen Lincoln wartete mit dem Drittligisten Lincoln City, der letzte Ground dieser Tour auf uns.
©Dirk Deutschländer |
Das LNER Stadium ist auch ein kleines Schmuckkästchen (Kapazität 10127), mit einer älteren Haupttribüne, einer neuen Gegenseite und hinter beiden Toren befinden sich ebenfalls unterschiedliche Bautypen.
©Dirk Deutschländer |
Der heutige Gegner waren die Bolton Wanderers und die hatten etwa 1500 Leute im Gepäck, bei einer gesamten Zuschauerzahl von 9047.
Das Spiel war der absolut würdige Abschied von der Insel. Stimmung top auf beiden Seiten, es wurde auf dem Platz um jeden Zentimeter gekämpft. Oft nicht immer mit erlaubten Mitteln, aber dadurch kam es zu mehreren Rudelbildungen und richtig üblen Pöbeleien bis weit nach Spielende.
Die „Imps“ retteten unter dem Jubel der Zuschauer, ein 1:1 über die Zeit und das - seit der 61 Minute - mit einem Mann weniger. Es wurde alles geboten, was der englische Fußball noch so geben kann.
Danach dann zum Auto und jetzt sitze ich hier und schreibe auf dem Weg zum Eurotunnel den Bericht fertig, da mir diese total unangenehmen Typen von „Nächstes Mal auf Asche“ die Daumenschrauben in Form von Abgabetermin angelegt haben. Na ja, was soll’s—ich bin jung und brauche das Geld. Ach, scheisse, das stimmt ja auch beides nicht. Jetzt bin ich verwirrt.
Gute Nacht!
Der gute Dirk war übrigens schonmal Gastautor bei uns und hat uns von seinen Erlebnissen beim Spiel Rimini FC 1912—Cesena FC berichtet, falls ihr das verpasst habt, lest doch mal rein!
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